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Zeit, gehört zu werden (German Edition)

Zeit, gehört zu werden (German Edition)

Titel: Zeit, gehört zu werden (German Edition)
Autoren: Amanda Knox
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dass er nicht mehr dort war. Sein Nachfolger, ein athletisch gebauter Typ, ungefähr in meinem Alter, hieß Mirko. Er hatte schwarze Haare, blaue Augen und ein breites Grinsen. Ich erzählte ihm, ich sei neu in der Stadt, Studentin. Er erwiderte, ihm liege Arbeit mehr als Lernen. Als ich wieder nach Hause ging, hatte ich das leise Gefühl, mich ein bisschen verknallt zu haben.
    Während der ruhigen Zeit vor Semesterbeginn ging ich gelegentlich nachmittags im Café vorbei, um Latte macchiato oder ein Glas Wein zu trinken und ein bisschen zu flirten. Nach meiner fieberbläschenerzeugenden Rumknutscherei mit Cristiano war das nett und unschuldig.
    Mein bevorzugter Zeitvertreib war der alte italienische Brauch eines ausgedehnten, entspannten Mittagessens zu Hause. Meredith und ich aßen mit Laura und Filomena zusammen, die ihre Kostümröcke gegen kurze Hosen austauschten und den Fernseher einschalteten. Ihre Seifenoper war für mich nur Hintergrundgeräusch. Ich bin absolut kein Fernsehfreak, erst recht kein Fan von Serien, aber ich fand es witzig, dass die genauso klangen wie jede beliebige amerikanische Soap. Obwohl ich nur eins von fünf Wörtern verstand, konnte ich trotzdem der Handlung folgen. Mit WEM hast du geschlafen? Komm, wir hauen zusammen ab! Auch Fernsehserien, so lernte ich, sind eine Weltsprache.
    Wenn Filomena und Laura wieder zur Arbeit gingen, sonnten Meredith und ich uns auf der Terrasse. Sie las Krimis. Ich brachte mir auf der Gitarre Beatles-Songs bei. Sie sagte, das erinnere sie daran, wie sie und ihre ältere Schwester immer den CD-Player laut gestellt und mitgesungen hatten.
    Mir gefiel unser unbeschwertes Beisammensein. Wir erzählten uns etwas über unser Leben zu Hause und was wir nach dem Abschluss vorhatten. Sie sagte, sie wolle vielleicht den Beruf ihres Vaters ergreifen und Journalistin werden. Sie lieh mir Kleidungsstücke – ihre feminine Aufmachung passte eher zu Perugia als meine alten Jeans und jungenhaften T-Shirts –, und sie korrigierte mein arg fehlerhaftes Italienisch. Vor Semesterbeginn an der staatlichen Universität von Perugia hatte Meredith einen Monat lang einen Kurs an der Ausländeruniversität besucht, um ihre Sprachkenntnisse zu verbessern. Ich machte sie mit neuer Musik bekannt und hörte mir ihre Geschichten über ihre Familie an, besonders die über ihre Mutter, deren schlechter Gesundheitszustand Meredith solche Sorgen machte, dass sie nicht ohne ihr englisches Handy zur bottega an der Ecke ging.
    Ich erzählte ihr von meinen Eltern und Stiefeltern – dass mein Vater seit meiner Kindheit mit Cassandra zusammen war und meine Mutter ihren Mann Chris kennengelernt hatte, als ich zehn war.
    Und wir hielten es wie alle Mädchen – wir sprachen über die Jungs, die uns in Perugia gefielen, und über die, die wir zurückgelassen hatten. Ich berichtete ihr davon, wie sich mein Flirt mit Mirko entwickelte, und von DJ, meinem Ex-Freund aus Seattle. »DJ und ich waren acht Monate zusammen«, sagte ich. »Wir haben Schluss gemacht, weil ich hierhergekommen bin und er für ein Jahr nach China gehen wollte.«
    »Wie ist er denn so?«, fragte Meredith.
    »Total abgedreht«, erwiderte ich. »Er hat einen Irokesenschnitt, trägt so einen schäbigen roten Kilt und läuft nur barfuß, außer wenn er klettern geht. Dann zieht er eine kurze Hose und Schuhe an. Echt, ich schwör’s.«
    Meredith lachte. »Klingt, als wäre er so wie du. Glaubst du, ihr kommt wieder zusammen?«
    »Keine Ahnung«, sagte ich. »Und was ist mit dir? Hast du einen Freund?«
    »Ich hatte was ziemlich Ernstes mit einem Typen«, erwiderte Meredith. »Wir waren ein paar Monate zusammen. Ich empfinde viel für ihn, aber ich bin zu jung für etwas Festes. Ich habe noch zwei Jahre Studium vor mir. Wir haben Schluss gemacht, kurz bevor ich nach Italien ging.«
    »Man will sich schließlich nicht schon mit Entscheidungen belasten, solange man das Leben noch ergründen muss.«
    Wir bestärkten uns mit zustimmendem Lächeln und billigem Rotwein aus der Gegend.
    Meredith und ich machten viel Alltägliches zusammen – Einkäufe und andere Besorgungen. Sie bat mich, Schnappschüsse von ihr vor ihrem Panoramafenster zu machen. »Meine Familie soll die Aussicht aus meinem Zimmer sehen«, sagte sie.
    An einem Nachmittag, als ich in der Innenstadt einen Vintage-Laden entdeckte, war ich so aufgeregt, dass ich sofort nach Hause ging und Meredith mitnahm, so wie ich es sonst mit Brett oder Madison gemacht hätte.
    »Diese
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