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Zeit, gehört zu werden (German Edition)

Zeit, gehört zu werden (German Edition)

Titel: Zeit, gehört zu werden (German Edition)
Autoren: Amanda Knox
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Wird er mich auch morgen noch mögen?«. Ich war noch so jung zu glauben, Unsicherheit würde sich mit zunehmender Reife legen. Und ich glaubte, Italien würde mir diese Chance bieten.
    Am Tag meiner Abreise stopfte ich Bretts rosafarbenen Vibrator in aller Eile und ohne weiter darüber nachzudenken in meine Kosmetiktasche aus durchsichtigem Plastik – was, wie sich herausstellen sollte, eine ganz schlechte Idee war.

2
    30. August – 1. September 2007,
Italien
    A nfangs fand ich es vollkommen harmlos. Meine Schwester Deanna und ich nahmen den Zug von Mailand nach Florenz. Cristiano, der neben uns saß, war ein braungebrannter, blonder Junge in ärmellosem Hemd, das seine geschmeidige, muskulöse Gestalt zur Geltung brachte. Er hatte das kantige gute Aussehen eines kalifornischen Strandgammlers und den charmanten Akzent eines Italieners – eine Kombination, die ich unglaublich reizvoll fand. Sein Englisch war noch dürftiger als mein Anfänger-Italienisch. Mit Gesten und Lächeln füllten wir die Lücke auf. Und mir wurde klar: Flirten ist eine Weltsprache.
    Während wir an hellgrünen Feldern vorbeirollten, fragte ich mich, ob Cristiano mich wohl süß fand – das Wort, mit dem ich mich damals zu beschreiben pflegte. Der Sprung zu schön oder sexy war mir zu groß. Dazu müsste ich meiner Ansicht nach erst einmal zu einer sexuell selbstbewussten Frau herangewachsen sein. Ich hatte keine Ahnung, wann es so weit sein würde. Aber als ich bemerkte, dass Cristiano verstohlene Blicke in meine Richtung warf, wurde mir bewusst, dass manche Männer etwas in mir sahen, was sie begehrten.
    Cristiano fuhr nach Rimini, ein für seine Discos bekannter Badeort am Meer. Deanna und ich wollten die Nacht von Donnerstag auf Freitag in Florenz verbringen und früh am Morgen nach Perugia aufbrechen. Ich war aufgeregt. Nachdem ich monatelang über Perugia gelesen hatte, sollte ich es endlich zu sehen bekommen. Deanna und ich gaben uns zwei Tage, um für mich eine Unterkunft in der Nähe der Università per Stranieri – der Ausländeruniversität – zu suchen, wo meine Kurse am 1. Oktober beginnen sollten. Dann würde ich mit meiner Schwester den Zug nach Hamburg nehmen, um mit unseren deutschen Vettern und Kusinen Urlaub zu machen.
    Mit diesem Abstecher wurde für mich eine neue Phase in meinem Leben inoffiziell angepfiffen. Ich würde mit Italienern abhängen und neue Freunde gewinnen. In einer neuen Umgebung zu sein würde meine Persönlichkeit weiter ausformen.
    In Florenz stiegen wir alle aus. Deanna und ich hatten den Zwischenstopp geplant, aber Cristiano verpasste den Bus nach Rimini und bekam ein Zimmer in unserem Hotel. Wir drei setzten uns draußen hin und teilten uns eine große Portion Tomaten mit Mozzarella, eine Pizza und eine Karaffe Wein. Inzwischen war offensichtlich, dass Cristiano und ich aufeinander abfuhren, und ich bin mir sicher, dass Deanna sich wie das fünfte Rad am Wagen vorkam. Sobald wir fertig waren, verkündete sie, ins Bett gehen zu wollen, und ließ uns allein. Cristiano und ich gingen Arm in Arm durch die Stadt, und plötzlich fragte er mich: »Hey, magst du einen spinello – Gras?«
    »Jaa, hast du welches?«
    Wir teilten uns einen Joint und gingen dann high und albern in sein Hotelzimmer. Ich war gerade zwanzig geworden. Das war mein erster echter One-Night-Stand. Zu Hause hatte ich meinen Freundinnen erzählt, ich könne mir nicht vorstellen, dass ich mit einem beliebigen Typen schlafen würde, der mir nichts bedeutete. Cristiano wendete das Blatt.
    Wir hatten kein Kondom, daher hatten wir eigentlich keinen Geschlechtsverkehr. Aber wir knutschten und fummelten wie verrückt herum, bis mir eine Stunde später klarwurde, ich kenne den Typen nicht einmal . Ich sprang auf, küsste ihn noch einmal und verabschiedete mich. Ich ging hinauf in das kleine Zimmer, das ich mir mit Deanna teilte. Sie war hellwach und stand am Fenster. »Wo bist du gewesen?«, fragte sie. »Ich wusste nicht, wo du warst – ob alles in Ordnung ist.«
    Sie hatte recht.
    Ich versuchte es wiedergutzumachen, stand im Morgengrauen auf und rannte mit ihr durch Florenz, machte Schnappschüsse von uns beiden, wie wir auf dem Ponte Vecchio, vor Michelangelos David und am Neptunbrunnen posierten und Grimassen schnitten. Sie war halbwegs versöhnt.
    Wir bestiegen den ersten Zug, der an diesem Tag nach Perugia fuhr, und kamen noch im frühen Morgendunst in meiner neuen Stadt an. Dolly, die Kusine unserer Mutter, zu der ich »Tante«
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