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Zeit der Skorpione: Laura Gottberg ermittelt (German Edition)

Zeit der Skorpione: Laura Gottberg ermittelt (German Edition)

Titel: Zeit der Skorpione: Laura Gottberg ermittelt (German Edition)
Autoren: Felicitas Mayall
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Stirn.
    «Hätte nicht gedacht, dass wir tatsächlich eine Leiche finden, Commissario», sagte er leise.
    «Ich auch nicht», erwiderte Guerrini und legte kurz eine Hand auf Tommasinis Schulter.

    Vor der gläsernen Schiebetür blieb Guerrini stehen, drehte sich um und schaute über den dunklen Park bis hinunter ins Tal der Orcia. Milchiges Mondlicht beleuchtete die wellige Landschaft. Ab und zu krochen Autoscheinwerfer über einen Hügel und verschwanden in einem Tal. Ein Käuzchen rief, ein zweites und ein drittes antworteten aus der Ferne.
    Es fiel dem Commissario schwer, diese Tür zu öffnen und Paolo Massimo mit dem Fund der Leiche zu konfrontieren. Weshalb eigentlich? Hatten die Abstürze gesellschaftlicher Größen in letzter Zeit nicht gezeigt, wie die Sitten verwildert waren?
    Wenn es tatsächlich so war, wie es aussah, dann hätte er sich diesmal in seiner Einschätzung gründlich getäuscht. Wieder empfand Guerrini dieses beunruhigende Gefühl von Kontrollverlust – als fließe seine Kraft aus ihm heraus, irgendwohin, vielleicht in die Dunkelheit oder in den Boden, jedenfalls spürte er diesen Verlust sehr deutlich.
    Es ist wie Verbluten, dachte er, als würde mein Körper sich daran erinnern, dass er beinahe verblutet wäre. Vor drei Monaten.
    Trotzdem würde er jetzt in dieses Haus gehen und Paolo Massimo vorläufig festnehmen, nach Siena bringen und dem Haftrichter vorführen, der auch den Durchsuchungsbefehl ausgestellt hatte. Guerrinis Armbanduhr zeigte zehn vor elf – bis diese Prozedur abgeschlossen sein würde, konnte es noch Stunden dauern.
    Langsam drehte er sich um, schob die Tür auf, gab sich einen Ruck und betrat den großen Raum. Es duftete immer noch nach Caffè. Massimo sah nur kurz auf, aber der junge Staatsanwalt sprang auf und eilte Guerrini entgegen, und auch die Carabinieri hoben die Köpfe und sahen sie an, Hoffnung im Blick.
    «Also, was gibt’s?» Der Staatsanwalt, dessen Namen Guerrini sich nicht hatte merken können, wippte auf den Zehenspitzen.
    «Eine Leiche.»
    «Also doch!»
    «Ja, also doch.»
    Erstaunlich schnell machte der Staatsanwalt drei, vier geschäftige Schritte, baute sich neben dem geschwungenen Ledersessel von Paolo Massimo auf und sagte, eindeutig zu laut: «Was haben Sie zu diesem Leichenfund zu sagen, Dottor Massimo?»
    Massimo starrte weiterhin in die Nacht hinaus, kniff nur leicht die Augen zusammen und verzog kaum merklich den Mund, als empfinde er Ekel.
    «Niente», erwiderte er leise.
    Guerrini betrachtete nachdenklich den Rücken des Bankdirektors und fragte sich, wie lange der Mann seine Verweigerung noch durchhalten würde.
    «Ich möchte, dass Sie sich den Toten ansehen, Dottor Massimo. Wir haben keine Ahnung, um wen es sich handelt. Vielleicht können Sie ihn identifizieren.»
    Auch jetzt verharrte Massimo lange in seiner Reglosigkeit. Endlich wandte er den Kopf und warf dem Commissario einen forschenden Blick zu.
    «Weshalb glauben Sie, dass ich den Toten identifizieren könnte?»
    «Es liegt nahe, finden Sie nicht?»
    «Mir liegt diese Annahme sehr fern.»
    «Trotzdem sollten Sie jetzt mitkommen und sich den Mann ansehen.»
    «Und wenn ich mich weigere?»
    «Falls Sie sich weigern mitzukommen, werden wir die Leiche hierherbringen, in Ihr Wohnzimmer. Ganz nebenbei möchte ich erwähnen, dass wir Sie vorläufig festnehmen müssen, Dottor Massimo.»
    Massimo drehte dem Commissario wieder den Rücken zu und starrte in die Nacht hinaus. Dann stand er sehr langsam auf und bewegte mit geschlossenen Augen den Kopf von einer Seite zur anderen, offensichtlich, um seinen Nacken zu lockern. Danach betrachtete er seine Hände, steckte sie plötzlich in die Hosentaschen und zuckte die Achseln.
    «Es geht wohl nicht anders … bei dieser erdrückenden Beweislage … nicht wahr?» Der Banker hatte seinen ironischen Tonfall wiedergefunden. Während er sprach, sah er nur Guerrini an, den jungen Staatsanwalt würdigte er keines Blickes.

    Paolo Massimo schaute sich selbst dabei zu, wie er, flankiert von zwei Carabinieri und gefolgt von zwei weiteren, hinter dem Commissario und dem Staatsanwalt über die Terrasse seines Landhauses ging. Er hatte das seltsame Gefühl, als könne er sich von oben sehen, inmitten der kleinen Gruppe, wie Menschen es nach einem Nahtoderlebnis beschreiben.
    Realitätsverlust, dachte er. Ich leide unter Realitätsverlust. Das geht vorbei, ich muss mich nur konzentrieren.
    Paolo Massimos Vater war Psychiater gewesen. Der
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