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Zeit der Skorpione: Laura Gottberg ermittelt (German Edition)

Zeit der Skorpione: Laura Gottberg ermittelt (German Edition)

Titel: Zeit der Skorpione: Laura Gottberg ermittelt (German Edition)
Autoren: Felicitas Mayall
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Reihe der dünnen Zypressen, die der Bauer Rieti vor zwei Jahren gepflanzt hatte.
    Es riecht nach Regen, dachte Massimo und hätte es beinahe laut gesagt. Abwegige Gedanken zu haben und sie auch zu äußern war ein typisches Symptom für Realitätsverlust. War es nicht abwegig, angesichts eines Toten, den er identifizieren sollte, zu denken, dass es nach Regen roch?
    Neben ihm hüstelte der Staatsanwalt, dessen Namen er vergessen hatte. Normalerweise vergaß er niemals Namen von Personen, die wichtig waren.
    «Würden Sie sich jetzt bitte den Toten ansehen», sagte der Commissario.
    Paolo Massimo nahm sich zusammen und ging näher an die Bahre heran. Betrachtete erst die Füße des Toten, nahm die Schmutzflecke auf seiner Kleidung wahr, arbeitete sich langsam zum Gesicht vor, ahnte es schon auf halbem Weg und zuckte so heftig zusammen, dass dieses Mal beide Carabinieri ihn festhielten.
    Hardenberg, dachte er. Es ist Leo Hardenberg. Warum Hardenberg? Warum liegt er hier?
    Ihm wurde übel.
    Hardenberg war der Besitzer genau jener deutschen Bank, die Massimo übernehmen wollte, und ein strikter Gegner der Fusion. Schon deshalb, weil sein Urgroßvater diese Bank gegründet hatte. Gestern hatten sie sich in Florenz heftig gestritten. Gestern? Massimo versuchte, seine Fassung wiederzugewinnen und sich zu konzentrieren.
    Gestern.
    Er konnte, verdammt noch mal, nicht genau sagen, ob es gestern oder vorgestern gewesen war. Jetzt, da Hardenberg tot vor ihm lag, entglitt ihm wieder die Wirklichkeit, und er befand sich in einem seltsamen Zwischenreich, war sich nicht einmal mehr sicher, ob er etwas mit dem Tod Hardenbergs zu tun hatte oder nicht. Hardenberg war bei der Fusion ein Hindernis gewesen, und er hatte ihn nicht gemocht. Mit ihm zu arbeiten wäre schwierig geworden.
    Als der Commissario etwas sagte, verstand Massimo den Sinn der Worte nicht, hörte nur sein eigenes Ohrensausen und eigenartig hallende Laute, als redete der andere in einem leeren, riesigen Raum. Doch er wusste instinktiv, was der Commissario fragte, und gab deshalb die Antwort, die erwartet wurde: «Es ist Leo Hardenberg, Deutscher. Im Vorstand der Hardenberg Bank.»
    Unerwartet fühlte er sich wieder klarer im Kopf, erinnerte sich jetzt sogar an den Namen des unangenehmen Staatsanwalts: Cichetto hieß er, Dottor Angelino Cichetto. Es wimmelte ja nur so von Doktoren hier. Wahrscheinlich hatten auch die Kapuzenmänner alle Doktortitel. Der Tote besaß ebenfalls einen. Unangemessene Gedanken, schon wieder. Aber diesmal waren sie hilfreich, führten ihn näher an das Geschehen heran.
    «Sie kennen ihn also, Dottor Massimo? Ein Kollege?»
    Das war jetzt der dünne Dottor Angelino Cichetto. Wahrlich ein Verbrechen, wenn Eltern ihren Sohn Angelino nennen, Engelchen. Trug nicht der einst hoffnungsvolle Thronfolger des gestürzten Ministerpräsidenten diesen Vornamen? Natürlich, noch ein Engelchen.
    «Ja, ich kenne ihn.»
    «Wie erklären Sie sich, dass dieser deutsche Kollege tot an der Außenmauer Ihres Parks liegt? Verpackt in einen schwarzen Müllsack? Vergraben in einer ziemlich flachen Kuhle, die wirkt, als hätte der Totengräber nicht genügend Zeit oder Kraft gehabt, sie tiefer auszuheben?»
    Oho, das Engelchen hatte bereits Schlüsse gezogen.
    «Davon abgesehen, dass ich es mir nicht erklären kann, werde ich weitere Fragen nur in Anwesenheit meines Anwalts beantworten. Können wir jetzt gehen?» Massimo fühlte sich besser, einen Schritt näher bei sich selbst.
    «Andiamo», sagte der Commissario.
    Als sie sich umdrehten, um zum Haus zurückzukehren, fing Massimo im Licht eines Scheinwerfers den Blick des Commissario auf. Nur für den Bruchteil einer Sekunde, aber wieder erschrak er. Nicht so spürbar diesmal, dass seine Bewacher ihn festhalten mussten, aber umso tiefer. Der Commissario erschien ihm wesentlich gefährlicher als der lächerliche Staatsanwalt.
    Er musste unbedingt seine Assistentin Antonella erreichen. Sie und der Sicherheitsdienst der Banca libera würden sehr schnell alle wichtigen Informationen über diesen Guerrini herausfinden. Vielleicht konnte man irgendwo ansetzen, falls der Commissario Schwierigkeiten machte. Nach Paolo Massimos Erfahrung war es bei nahezu jedem Menschen möglich, irgendwo anzusetzen. Auch bei den meisten Polizisten.

Es war halb vier Uhr morgens, als Angelo Guerrini sich auf seinem Bett ausstreckte. Er hatte sich nicht fallen lassen, wie es eigentlich seine Art war. In seiner Erschöpfung war er eher
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