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Zeit der Skorpione: Laura Gottberg ermittelt (German Edition)

Zeit der Skorpione: Laura Gottberg ermittelt (German Edition)

Titel: Zeit der Skorpione: Laura Gottberg ermittelt (German Edition)
Autoren: Felicitas Mayall
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sternförmigen Schmerz in seiner Brust, sogar stärker als sonst. Es war drei Monate her, dass er angeschossen worden war, und sein Arzt hatte ihm vorausgesagt, dass ihn die Wunde lange begleiten würde. Guerrini hatte das mehr auf die Narbe bezogen, weniger auf Schmerzen. Inzwischen wusste er, was Dottor Fausto gemeint hatte. Diese Erkenntnis war nicht angenehm, und die Situation im Landhaus des Paolo Massimo strengte ihn an.
    Kurz nachdem der Staatsanwalt dem Bankdirektor eröffnet hatte, dass er verdächtigt werde, eine Leiche, vermutlich die eines Mannes, in seinem Park vergraben zu haben, war das totale Schweigen ausgebrochen.
    Zunächst hatte Paolo Massimo fassungslos reagiert, dann hatte er angefangen zu lachen, erst leise, dann immer lauter, und Guerrini war ziemlich sicher, dass dieses Lachen nach einer Weile in heiseres Schluchzen übergegangen war. Eine einzige Frage hatte Massimo gestellt: «Wer? Wer hat das getan?»
    Als der Staatsanwalt ihm erklärte, dass er es derzeit nicht für angebracht halte, den Informanten zu nennen, fing er wieder an zu lachen.
    Danach hatte Massimo sich zusammengenommen, ruhig der Rechtsbelehrung zugehört, den Durchsuchungsbefehl studiert und anschließend mit seinem Anwalt in Turin telefoniert. Seither schwieg er, trank abwechselnd Espresso und Wasser, keinen Alkohol. Der Anwalt hatte sich auf den Weg zum Landhaus gemacht, doch vor Mitternacht war mit seinem Eintreffen nicht zu rechnen. Also schwiegen sie und warteten.
    Paolo Massimo saß in einem geschwungenen dunkelbraunen Ledersessel, nah an der breiten Fensterfront, und starrte in die Finsternis hinaus. Das Kinn in eine Hand gestützt, rührte er sich nur dann, wenn er nach dem Wasserglas griff oder nach der Kaffeetasse. Die verschmutzte Kleidung hatte er unter Aufsicht eines Carabiniere gewechselt. Jetzt trug er einen dicken dunkelblauen Pullover mit Rollkragen und elegante Jeans. Sein graumeliertes Haar war äußerst gut geschnitten, und er strahlte eine respekteinflößende Distanziertheit aus, die man Würde nennen konnte, vielleicht auch Arroganz.
    Guerrini war vom Schweigen des Bankdirektors beeindruckt, eigentlich von allen Facetten seines Verhaltens, dem Gelächter, der Ironie, dem überlegten Handeln. In seiner langen Erfahrung als Ermittler hatte Guerrini alle Arten von Reaktionen auf schwerwiegende Beschuldigungen oder drohende Festnahmen erlebt. Meistens versuchten die Leute sich herauszureden, die Polizisten davon zu überzeugen, dass sie unschuldig waren. Sie erfanden Geschichten, Alibis, beschuldigten andere, inszenierten Dramen. Vielleicht lag es an der ausgeprägten italienischen Lust am Theater, diesem Hang zum Extrovertierten. Doch vermutlich handelte es sich um eine Art Reflex, um nur allzu menschliches Verhalten.
    Paolo Massimo war anders. Er gab keine Vorstellung, dachte ganz offensichtlich nach und zeigte keine Angst vor der Stille, die beinahe jeden anderen mürbe gemacht hätte. Im Gegenteil: Er war der Ausgangspunkt dieser Stille, er beherrschte sie.
    Amüsiert beobachtete Guerrini, dass inzwischen der Staatsanwalt – ein neuer, vermutlich kaum dreißig, sehr blass und mit früher Glatze – Anzeichen von Nervosität zeigte. Er scharrte mit den Füßen, stand häufig auf, setzte sich wieder, seufzte ab und zu, las zerstreut in einer Zeitung, kramte in seinen Papieren.
    Dagegen trugen die Gesichter der bewachenden Carabinieri diesen leeren, ergebenen Ausdruck, als hätten sie sogar die Hoffnung aufgegeben, dass ihr Mobiltelefon klingeln könnte. Diskret lehnten sie an der Wand oder saßen etwas unglücklich auf Designerstühlen herum. Ab und zu löste sich einer von ihnen aus seiner Starre und legte im Kamin Holz nach. Alle tranken Caffè oder Wasser, und Guerrini konnte ihnen ansehen, dass sie das ewige Warten, das zum Leben eines Polizisten gehörte, ebenso satthatten wie er selbst.
    Draußen im Park suchten die Kollegen noch immer mit starken Taschenlampen und Scheinwerfern jeden Zentimeter Boden ab. Eine Heerschar großer Glühwürmchen unter uralten Olivenbäumen. Ab und zu bellte einer der Spürhunde, rief jemand irgendetwas. Die Leiche hatten sie noch nicht gefunden.
    Guerrini nickte den schweigenden Carabinieri zu.
    «Ich geh mal raus und seh nach, wie weit die sind.»
    Keiner nickte zurück. Sergente Tommasini, der engste Mitarbeiter des Commissario, tauchte im Durchgang zur Küche auf, stellte ein Tablett mit Espressotassen ab und durchquerte mit schnellen Schritten den großen
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