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Zeig mir den Tod

Zeig mir den Tod

Titel: Zeig mir den Tod
Autoren: Petra Busch
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entgegen. Der Kegel der Stablampe glitt durch Rebeccas Gefängnis. In der Mitte ein Campingtisch mit abgeplatzter Resopalplatte, zwischen diesem und der Wand eine schmale Bank, aus deren blumengemustertem Überzug braungelber Schaumstoff quoll. Vor den Fenstern zerrissene Vorhänge, an einer Wand ein schmales Hängeschränkchen, bei dem zwar noch Scharniere, jedoch keine Türen mehr vorhanden waren. Eine einzelne Dose stand darin. Auf dem Boden eine zerknüllte Wolldecke, eine Gasflasche, Plastiktüten, zerrissene Kekspackungen, leere und volle Plastikflaschen, zwei Decken. Marius’ schwarzer Rucksack, Rebeccas violetter Rucksack.
    Ansonsten war der Wohnwagen leer.

[home]
    39
    E hrlinspiel verlagerte sein Gewicht auf den unverletzten Fuß. Leuchtete noch einmal alles ab. »Wir sind zu spät!« Er wollte gleichzeitig brüllen und weinen, und seine Brust fühlte sich an wie von einer stählernen Hand zusammengequetscht.
    »Moritz«, sagte Freitag, der mit einem Kollegen in der nassen Wiese stand. Vanessa hielt sich, bewacht von dem zweiten Streifenkollegen, abseits unter einer großen Birke. Ihr Haar hob sich fast so hell von der Umgebung ab wie der weiße Baumstamm. Die Arme hatte sie um ihren Oberkörper geschlungen.
    Er bückte sich durch die niedrige Tür und blickte auf die Männer hinab.
    Freitag leuchtete auf den großen Schieberiegel und das Vorhängeschloss. »Alles unbeschädigt.«
    »Da hat’s jemand eilig gehabt.« Der Uniformierte, ein schlanker Mittzwanziger mit Brille, nickte. »Das Schloss hängt nur drin, das ist nicht mal mehr eingeschnappt.«
    Ehrlinspiels Gedanken wirbelten durcheinander. Hatte Marius seine Schwester doch mitgenommen? War sie irgendwo da draußen? Oder hatte Vanessa gelogen, um ihren Arsch zu retten? Er hastete zu ihr und packte sie an den Oberarmen, dass sie aufschrie. »Was haben Sie mit ihr gemacht?«
    Ein paar Meter neben der Gruppe stoben Vögel auf. Ihre Schreie zerrissen die Nacht.
    »Nichts!«
    »Sind Sie sicher, dass Marius am Samstagabend allein war?«
    Nessy drehte den Kopf zur Wagentür. »Ich hab ihn so geliebt!« Und dann schrie sie: »Fuck«, riss sich los und trat wie von Sinnen gegen den Wohnwagen. »Fuck! Fuck!«
    Sofort legte Ehrlinspiel von hinten die Arme um sie und zog sie zurück. »Hey, hey, alles gut. Wir schaffen das.«
    Sie schluchzte laut, drehte sich um und drückte das Gesicht gegen seine Schulter. Er strich ihr über den Rücken, über die nasse Jeansjacke, redete leise auf sie ein, wie er es bei seinen Neffen immer getan hatte, als sie noch kleine Rabauken waren und sich manchmal beim Spielen verletzt hatten. »Es ist gut, Vanessa.«
    Freitag nickte ihm zu, und er wusste, dass sein Freund und Kollege es genauso gemacht hätte, vermutlich sogar um einiges besser als Ehrlinspiel selbst. »Wo könnte Rebecca sein?«, fragte er leise, während seine Augen vergeblich die Dunkelheit um sie herum absuchten, und sie schüttelte kaum merklich den Kopf. »Sie muss hier sein. Sie hat nicht mal mehr stehen können«, nuschelte sie in seine Jacke, »ihr ging’s echt dreckig.« Dann löste sie sich von ihm. »Er hat sie! Es kann nicht anders sein. Er hat den Schlüssel mitgenommen!« Und schon schrie sie: »Torben, Torben!«, und das Echo trug ihre Verzweiflung zurück –
Torben, Torben.
    Torben, der Gewalt mit Worten ausübte. Torben, der mit Fäusten verletzte. Torben, der nun seinen Hass an dem kleinen, kranken Mädchen ausließ? Ehrlinspiel wagte es nicht, den Gedanken weiterzudenken.
    Vanessa stolperte über die Wiese, rief nach rechts, nach links, ziellos: »Torben, ich weiß, dass du hier bist!«
    Freitag lief ihr nach, sein Lichtkegel fing sie immer wieder ein, und dann hörten sie es alle. Das Schluchzen, das Weinen, hoch und abgehackt, dann tief, wie das Jaulen eines verletzten Hundes.
    Augenblicklich hielten sie inne, erstarrten, als habe jemand die Zeit angehalten. Die Klagelaute kamen von Westen, vom Rhein her. Ehrlinspiel humpelte in die Richtung, versuchte, den Schmerz in seinem Knöchel zu ignorieren. Er gab den anderen ein Zeichen, zurückzubleiben und sich vorsichtig von der Seite und in einem großen Bogen vom Ufer her zu nähern. Sie schalteten die Taschenlampen aus. Leise ging er weiter, geduckt, schlich von Wurzelgeflecht zu Wurzelgeflecht um die verkrüppelten Bäume herum, immer näher zum Ufer. Ein Käuzchen rief, und im selben Moment sah er die Silhouette. Direkt am Wasser, auf dem schmalen Betonstreifen, der das Bett des Rheins
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