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Zehntausend Augen

Zehntausend Augen

Titel: Zehntausend Augen
Autoren: Klaus Seibel
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gezoomt werden konnte. Seit Neuestem war sogar Google Maps integriert. Man sah darauf die Straßenzüge mit ihren Häuserzeilen, Straßenbäumen und unzähligen anderen Details wie von einem Helikopter aus. An den Seitenwänden hingen kleinere Monitore, Magnettafeln, Plakate mit Waffentypen und vieles mehr. Das Einzige, was man dort nicht sehen konnte, war die Raufasertapete der Wand, so voll hing alles. Die im Raum verteilten Computerarbeitsplätze waren technisch bestens ausgestattet.
    Die erste Besprechung fand um sechzehn Uhr statt. Ellen stand an der Frontseite des Konferenztischs, machte eine kurze Einleitung und bat dann Heinrik Bechtel, den Teamleiter der Bereitschaftspolizei, um seinen Bericht.
    »Die Befragung der Anwohner hat keine Erkenntnisse gebracht. Die meisten haben geschlafen und die anderen nichts bemerkt.«
    »Überwachungskameras?«, fragte Ellen.
    »Nur eine in der näheren Umgebung, aber die ist kaputt.«
    »Was heißt ›kaputt‹? Vom Täter zerstört?«
    »Unwahrscheinlich. Sie war schon länger ausgefallen. Und da in dieser Gegend kaum etwas passiert, hat sich niemand um eine Reparatur gekümmert.«
    »Na, prächtig. Das hilft uns nicht weiter. Trotzdem danke, Bechtel.«
    Ellen hatte mit einem mageren Ergebnis gerechnet. Etwas anderes wäre auch zu einfach gewesen. Mehr Hoffnung setzte sie auf die KTU. Genau genommen lagen zurzeit ihre ganzen Hoffnungen darauf. »Sina, wie sieht es bei dir aus?«
    »Mit direkten Spuren, die vom Täter stammen, kann ich nicht dienen. Keine Fingerabdrücke, DNA- oder Faserspuren. Die Kameras waren originalverpackt, dementsprechend bieten sie ebenfalls keine Spuren. Sie sind Standardware, die man überall kaufen kann.«
    »Seriennummern?«
    »Asiatische Fabrikate. Da bringen uns die Nummern nicht weiter. Bei dem Zünder für die Bombe ist es ähnlich. Ein Prepaid-Handy, das wir nicht nachverfolgen können, und ansonsten auch aus Standardware zusammengebastelt, die man in jedem Baumarkt bekommt. Die Bauart entspricht einer Anleitung, die uns aus dem Internet bekannt ist. Es ist zwar verboten, sie herunterzuladen, aber wir können unmöglich verhindern, dass es jemand tut.«
    »Leider«, bemerkte Bechtel.
    »Aber den Sprengstoff kann man nicht frei kaufen.«
    »Richtig. Der ist sehr aufschlussreich, aber ob uns das weiterhilft, ist eine andere Frage. Es handelt sich um TNT aus alten Beständen der NVA. Nicht mehr up to date, aber noch funktionsfähig, wie wir gesehen haben.«
    Ellen war die Einzige, die Sinas Blick richtig deuten konnte. Nur Sina hatte gesehen, wie sie nach der Explosion aussah. »Wie kommt man an das TNT?«
    »Es gibt zwei Möglichkeiten. Mit entsprechenden Beziehungen kann man es auf dem Schwarzmarkt kaufen, oder der Täter hat es irgendwo gefunden. Die NVA hatte Unmengen Sprengstoff vorrätig, und niemand kann behaupten, dass alles entdeckt worden ist.«
    »Wir hören uns mal auf dem Schwarzmarkt um. Ich befürchte allerdings, dass deine letzte Vermutung zutrifft. Größere Mengen kann man nicht kaufen, ohne aufzufallen. Der Täter schreibt, dass er mehr davon hat.«
    »Davon müssen wir definitiv ausgehen«, sagte Sina.
    »Unerfreulich.« Ellen notierte »Sprengstoff aus NVA-Beständen« auf einem Flipchart. »Dann haben wir noch die CD mit dem Programm. Was ist damit?«
    »Das ist tatsächlich das Interessanteste, was ich heute zu bieten habe. Die CD ist, wie nicht anders zu erwarten, billige Massenware aus dem Supermarkt, aber das Programm ist selbst geschrieben.«
    Diese Entdeckung war wichtig. Viele Verbrechen wurden aufgedeckt, weil die Täter etwas Raffiniertes planten, ein exotisches Gift verwendeten oder Material benutzten, das man anhand von individuellen Merkmalen zuordnen konnte. Das Schlimmste für Ermittlungen war die Verwendung von frei erhältlicher und beliebig austauschbarer Massenware.
    »Programmierer«, notierte Ellen auf dem Flipchart.
    »Sogar ein guter«, sagte Sina. »Behaupten jedenfalls unsere Experten.«
    »Das grenzt den Kreis der Täter ein, aber leider nur auf ein paar hunderttausend. Trotzdem sollten wir diesen Punkt im Auge behalten. Was macht das Programm?«
    »Platt gesagt, nimmt es die Bilder der Kameras und stellt sie ins Internet. Jeder, der die Internetwache der Berliner Polizei aufruft, bekommt die Bilder verkleinert angezeigt. Man kann die anklicken, die man groß sehen will. Dann gibt es noch einen Kanal, über den man Bilder von außen einspielen kann.«
    »Er setzt also konsequent um, was er im
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