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Zehntausend Augen

Zehntausend Augen

Titel: Zehntausend Augen
Autoren: Klaus Seibel
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glühen. Und das sind dann nur die Anrufe, die die Telefonzentrale nicht abwimmeln kann. Was soll ich denen sagen?«
    »Wir haben nicht viele Optionen. Wir können die Forderung ignorieren …«
    »… und dann wird die halbe Stadt Angst vor einem weiteren und schlimmeren Anschlag haben«, sagte Brahe.
    »Richtig. Wir wissen noch zu wenig, um einen Anschlag zu verhindern. Und das weiß auch die Öffentlichkeit. Würden wir die Sache herunterspielen, würde uns niemand glauben.«
    »Das bedeutet, dass wir auf die Forderung eingehen müssen. Auch wenn uns das nicht gefällt.«
    »Es gefällt mir ganz und gar nicht.«
    »Wissen Sie etwas Besseres?«
    Jetzt wirkte Brahe überhaupt nicht mehr gelassen. Er spielte unruhig mit seiner Krawatte. Ellen konnte ihn verstehen. Schließlich musste Brahe die Ermittlungen nach außen und gegenüber seinen Vorgesetzten vertreten.
    »Ich habe schon eine Idee. Wir gehen zum Schein auf die Forderung ein und installieren die Kameras in unserer Zentrale. Das müssen wir machen, weil der Erpresser vielleicht weiß, wie die Zentrale aussieht. Daneben richten wir einen Raum als Ausweichzentrale ein, in der wir ungestört arbeiten können. Wenn wir es einigermaßen geschickt anstellen, sollte er nichts davon mitbekommen.«
    Brahe überlegte einen Moment. »Das ist eine Möglichkeit. Machen Sie das so. Beeilen Sie sich, wir haben nur bis zehn Uhr Zeit.«
    »Aber das darf auf keinen Fall nach außen gelangen. Der Erpresser muss davon überzeugt sein, dass das, was er durch die Kameras sieht, unsere tatsächliche Arbeit ist.«
    Brahe sah sein Telefon an und seufzte. Natürlich durfte er diesen Plan nicht an die Presse geben. Einfach würde das nicht werden. Ellen konnte sich das gut vorstellen. Sie wollte nicht mit Brahe tauschen. Brahe mit ihr wahrscheinlich auch nicht.
    »Ich halte Ihnen den Rücken frei, Frau Faber. Bringen Sie diesen Mann so schnell wie möglich zur Strecke. Und tun Sie alles, um eine Panik zu vermeiden. Vergessen Sie nie, dass Sie beobachtet und aufgenommen werden, wenn Sie mit dem Erpresser reden. Seien Sie vorsichtig bei allem, was Sie sagen. Die Leute müssen das Gefühl bekommen, dass Sie die Sache im Griff haben.«
    Ellen verließ das Büro ihres Chefs mit einem harten Knoten im Magen.

4
     
    In der Zentrale herrschte ein furchtbares Durcheinander, denn jetzt musste vieles gleichzeitig geschehen. Ellen gelang es nur mit Mühe, die Techniker so zu organisieren, dass sie sich beim Anbringen der Kameras nicht gegenseitig behinderten. Währenddessen versuchten die Systemadministratoren, die entsprechenden Verbindungen herzustellen. Ganz so einfach war die Installation doch nicht – wie immer, wenn Programmierer sagten, es ginge wie von selbst. Für die Ausweichzentrale blieb keine Zeit, aber das konnte man später erledigen. Wichtig war jetzt nur der Kontakt zu dem Erpresser.
    »Wir müssen erst testen«, sagte jemand, den Ellen nicht kannte.
    »Keine Zeit«, sagte Ellen. »Es muss funktionieren.«
    Während Ellen auf die Kontaktaufnahme wartete, bereiteten Techniker Fangschaltungen vor, und die Systemspezialisten konfigurierten ihre Software, um den Rechner, von dem der Erpresser agierte, so schnell wie möglich zu lokalisieren. Kurz vor zehn scheuchte Ellen die meisten Techniker aus dem Raum. Sie musste sich konzentrieren.
    Die Aufregung machte sich jetzt auch bei ihr bemerkbar, Ellen musste sich dauernd räuspern. Ab jetzt wurden die Bilder ins Internet übertragen, und jeder konnte sie sich ansehen, auch der Erpresser.
    10:01 Uhr. Khalid, der leitende Systemadministrator, zählte über hundert Klicks auf der Polizei-Homepage.
    10:02 Uhr. Die Zahl der Zugriffe überschritt die Tausend. Ellen sah sich um. Khalid signalisierte ihr lautlos die Zahl aus dem Hintergrund. Er wirkte besorgt. Noch tat sich nichts.
    10:04 Uhr. Jetzt sahen bereits mehr als fünftausend Menschen zu. Ellens Puls raste wie bei ihrem letzten Leistungstraining.
    10:05 Uhr. Endlich ging ein Anruf auf Skype ein. Mit ihrem schweißnassen Finger tippte Ellen auf O.K., um den Anruf entgegenzunehmen.
    »Guten Morgen«, klang es aus den Lautsprechern. Es war eine freundliche Stimme. Männlich, Mitte dreißig.
    »Guten Morgen«, gab Ellen zurück. Ihre Stimme klang kratzig. Wieder musste sie sich räuspern.
    »Bitte entschuldigen Sie die Verspätung. Ich wollte nur unseren Mitbürgern die Gelegenheit geben, sich dazuzuschalten. Normalerweise bin ich sehr pünktlich.«
    Eigentlich hatte Ellen sich
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