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ZECKENALARM IM KARPFENLAND

ZECKENALARM IM KARPFENLAND

Titel: ZECKENALARM IM KARPFENLAND
Autoren: Werner Rosenzweig
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neben ihm kratzte sich an der Wade. Zehn Minuten später, als die Glocken riefen, machte sich die Trauergemeinde auf den Weg in das Innere der Kirche.
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    Das Glockengeläut war auch das Zeichen für Dirk Loos, Kunigunde Holzmann und Margarethe Bauer. Sie saßen in Dirks Audi, auf dem Parkplatz des Hotels Krebs. Kaum hatte das Läuten der Glocken eingesetzt, fuhr Dirk Loos vom Parkplatz rechts in den Dechsendorfer Weg und bretterte bis zur Einmündung Weiherstraße. Dann bog er links ab, um kurz darauf in die Sandstraße einzufahren. Er düste den Berg hoch und blieb auf halber Höhe stehen. Kunni und Retta stiegen aus. Dirk Loos fuhr über die Mühlbergstraße zum Parkplatz zurück und schaltete den Motor ab. Retta Bauer postierte sich gegenüber dem Anwesen, in dessen Hof Kunni Holzmann verschwand. Sie hatten nun circa fünfundvierzig Minuten Zeit. Niemand würde sie in dieser Zeit stören. Das wussten sie. Der Hausherr war in der Kirche. Kunni Holzmann nahm den Dietrich aus ihrer Handtasche und lief auf die Haustüre zu. „Wie macht dees der Kommissar Leitmayr immer?“ Sie setzte den Dietrich ins altmodische Schloss. Fünfzehn Sekunden später öffnete sie die Haustüre und verschwand im Haus. Retta und Dirk starrten unterdessen auf die Displays ihrer eingeschalteten Mobiltelefone, allzeit bereit, Alarm zu schlagen und ihre Kumpanin rechtzeitig zu warnen, sollte etwas außerplanmäßig aus dem Ruder laufen. Sie hatten ihre Plätze an den strategisch vereinbarten Beobachtungspositionen eingenommen.
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    Pfarrer Ortiz rezitierte zwischenzeitlich aus einer modernen Version von Psalm 139: „Ich denke manchmal auch, es habe eigentlich keinen Sinn, dass es mich gibt. Dann habe ich dieses Leben satt und würde es gerne wegwerfen, denn ich habe es mir nicht selber ausgesucht, Aber ich weiß: Wenn ich mein Leben wegwerfe und zu den Toten komme, dann begegne ich dort doch wieder dir und ich bin wieder in deinen Händen gefangen und bin weder meinen Aufgaben noch dir entflohen. Manchmal träume ich vom großen Leben. …“
    Der Mörder sah verstohlen auf seine Uhr. Wie lange würde dieser Quatsch denn noch dauern?
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    Vom Flur aus betrat Kunigunde Holzmann als Erstes die Küche. Alles war sauber aufgeräumt, der Kühlschrank gut gefüllt. Ansonsten bemerkte sie keine Auffälligkeiten. Sie ging zurück in den Flur und sah sich in der Gästetoilette um. Dann betrat sie den Wohn- und Esszimmerbereich. Auf dem Couchtisch lagen ein paar Zeitungen herum, in denen es offensichtlich um Pferdewetten ging. Am 28. Oktober King Edward und Nightingale auf Sieg , stand in einer feinen Handschrift auf einem Zettel geschrieben. Kunigunde Holzmann nahm sich Zeit, sah sich intensiv im Wohnzimmer um und öffnete alle Schubladen und Wandschränke. Sie sah auf die Uhr. Noch zwanzig Minuten. Ächzend, sich am Handlauf festhaltend, stieg sie die Treppe hinauf. Sie hatte noch Schlaf-, Gäste- und Badezimmer vor sich.
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    „Jetzt aber, so spricht der Herr, der dich geschaffen hat, Jakob, und der dich geformt hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich ausgelöst, ich habe dich beim Namen gerufen, du gehörst mir.“ Der katholische Geistliche gab sich alle erdenkliche Mühe, einen feierlichen Gedenkgottesdienst zu gestalten. Dann wandte er sich wieder an die Trauergemeinde. „Wenn du durchs Wasser schreitest, bin ich bei dir, wenn durch Ströme, dann reißen sie dich nicht fort. Wenn du durchs Feuer gehst, wirst du nicht versengt, keine Flamme wird dich verbrennen.“ Julia Fuchs standen vor Rührung die Tränen in den Augen.
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    Kunigunde Holzmann war im Obergeschoss angekommen und hatte Schlaf- und Badezimmer eingehend inspiziert. Es gab nichts Verdächtiges festzustellen. Sollte sie sich mit den Zecken so geirrt haben? Gab es möglicherweise doch zwei Mörder, oder wurden der Obdachlose und Johannes Sapper tatsächlich auf natürliche Weise gestochen? Draußen im Grünen? Sie grübelte vor sich hin und betätigte den Türknopf zum Gästezimmer.
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    „Wir singen nun die dritte Strophe des Liedes Nun danket alle Gott. Dazu setzen wir uns wieder.“ Kleidungsstücke raschelten, Nasen wurden geputzt. Hie und da waren ein leichtes Hüsteln und Räuspern zu vernehmen. Dann setzte die Orgel wieder ein, und Pfarrer Ortiz intonierte die dritte Strophe des bekannten Kirchenliedes. Jupp Hochleitner lauschte dem Gesang der Kirchenbesucher. Er konnte nicht singen, behauptete er. Er hörte lieber zu und sah dabei auf den Rücken
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