Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zebraland

Zebraland

Titel: Zebraland
Autoren: Marlene Roeder
Vom Netzwerk:
sonst wohin. Hauptsache weit weg, wo er uns beide nicht stört.
    Vielleicht hat Phil etwas bemerkt, denn sein Blick wird plötzlich weicher. Ist das Mitleid in seinen Augen? Einen Moment lang sieht es so aus, als wollte er etwas sagen, doch da beuge ich mich schnell runter und klaube eine verbeulte Bierdose auf.
    Alles, alles ist besser als Mitleid. Selbst Hass.
    »Wir können ja schon mal aufbauen«, schlage ich rasch vor.
    Phil nickt.
    Wir bauen aus den verbeulten Dosen einen Turm auf, unsere Köpfe berühren sich fast. Meine Hände fühlen sich plötzlich viel zu groß und ungeschickt an. Ich wage kaum, Phil anzusehen.
    Schnell, viel zu schnell sind wir fertig. Phil steht auf und geht ans andere Ende der kleinen Lichtung. Dort kramt er in seinem Rucksack herum und zieht ein Bündel heraus. Ich bin ihm gefolgt und schaue zu, wie er das Bündel aufwickelt. Die alte Pistole kommt zum Vorschein. »Anouk hasst das Ding. Sie weigert sich sogar, es anzusehen«, sagt Phil. Es soll spöttisch klingen, doch in seiner Stimme schwingt etwas wie liebevoller Stolz mit. Ich könnte kotzen.
    Anouk, die Pazifistin, das Blumenkind. Was bin ich dann, seine Waffenschwester?
    Mit hochkonzentrierter Miene steckt Phil die Patronen in die Trommel und lädt die Pistole durch. Wir stehen jetzt in etwa sieben Metern Entfernung zu unserem Dosenturm.
    »Ziggy hatte Recht, das ist wirklich ein guter Platz zum Üben. Außerhalb der Saison kommen kaum Leute her. Niemand wird etwas mitkriegen.«
    Als der Schuss kracht, schrecke ich trotzdem zusammen.
    Keine der Dosen ist umgefallen, das tödliche Geschoss steckt im weichen Holz eines Baumstamms. Bei Phils zweitem Versuch fliegen drei der Dosen herunter. Die abgefeuerte Waffe verbreitet einen durchdringenden Geruch nach Schießpulver.
    »Willst du auch mal versuchen, Judith?«, fragt er. Als ich nicke, reicht er mir die Pistole. Ihr kühles Gewicht ist beängstigend, aber auch seltsam erregend. Ein Gefühl von Macht durchströmt mich.
    »Aber sei vorsichtig«, sagt Phil besorgt. »Ich will nicht, dass du dir in den Fuß schießt. Das ist übrigens Anouks größte Sorg e – dass ich mich versehentlich selbst erschießen könnte.«
    Wäre Anouk hier, wäre die Gefahr, dass ich sie versehentlich erschießen könnte, wesentlich größer.
    Warum endlich was passieren muss
    1.) Selbst wenn es den endgültigen, den letzten Bruch mit Phil bedeutet: Ich kann so nicht mehr weitermachen.
    2.) Mir fallen keine weiteren Gründe ein.
    3.) Ich weiß nicht mehr weiter.
    4.) Wirklich nicht.
    5.) Doch. Eines weiß ich: Das hier frisst mich auf.
    Ich brauche einen Befreiungsschlag.
    Sorgfältig lade ich die Waffe durch. Dann hebe ich den Arm und schieße. Die Dosen stieben auseinander.

Ziggy
    E: »Und wie wolltet ihr das Zebra um die Ecke bringen, bitte schön? Mit Rattengift? Oder gleich erschießen, wie bei ’nem stilechten Auftragsmord?«
Z: »Erschießen.«
E: »Du verarschst mich, Mohn.«
Z: »Wenn’s dich beruhigt, ich war kein besonders toller Schütze. Ob’s jetzt an meinen bandagierten Pfoten lag oder nicht, sogar der Klugscheißer hat besser gezielt.«
E: »Mohn, du hast noch nie ’ne Scheißwaffe in der Hand gehabt! Das Einzige, womit du umgehen kannst, ist ’ne Spraydose!«
    Wir wollten es in der Nacht zum Samstag machen. In den Nächten davor konnte ich kaum schlafen. Wieder quälten mich schreckliche Albträume. Im Traum stand das Zebra vor mir. Aber ich wusste, dass es in Wahrheit Yasmin war, die die Gestalt eines Zebras angenommen hatte. Ich konnte ihr Herz sehen: das Tagebuch, das in ihrer Brust pulsierte. Ich musste das Buch treffen, um sie zu töten.
    Philipp, Judith und Anouk waren auch da. Sie standen im Halbkreis um mich herum und schrien mich an, endlich den Abzug zu drücken.
    An dem Punkt wachte ich jedes Mal schweißgebadet auf.
    Es gab auch noch einen anderen Traum. In diesem Traum war ich das Zebra und Philipp schoss auf mich.

Judith
    Phil stellt die Waffe, aber es ist Ziggy, der sich mit illegalen Aktivitäten auskennt. Mit seinem Cousin ist er nachts schon öfter auf Streifzug gegangen, um Wände anzusprayen. »Einmal haben wir sogar ein ganzes Zugabteil gemacht«, erzählt er stolz.
    Ich finde, die Jungs benehmen sich ein bisschen, als ginge es hier um irgendein verrücktes Abenteuerspiel. Vielleicht macht es die Sache einfacher für sie, wenn sie sich das einreden können.
    Was wir für »Mission Zebra« brauchen
    1.) Die Waffe und das Wissen, wie man sie richtig
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher