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Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger

Titel: Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger
Autoren: Robin Hobb
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gedrängt hat, Euch zu küssen, und ich es getan habe… Später hat sie es mir erzählt. Vermutlich hatte sie ein… schlechtes Gewissen. Ich weiß es nicht. Vielleicht fürchtete sie auch, dass ich verletzt würde, wenn ich mich zu sehr in Euch verliebte und dann herausfand, dass Ihr nicht… wart, was ich erwartete.«
    »Warum habt Ihr mir das nicht schon vorher erzählt?«
    Sie hob den Kopf und sah, wie er mit den Schultern zuckte. »Ich dachte, es würde keine Rolle spielen. Natürlich hat es mich beschäftigt. Ich wollte diesen Mistkerl am liebsten umbringen. Von allen miesen Dingen, die man tun kann… Aber dann sagte mir Ophelia, dass Ihr vielleicht etwas für ihn empfändet. Und ihn vielleicht sogar liebtet?« Das Letzte war eine halbherzige Frage.
    »Ich glaube nicht, dass ich das tue«, sagte sie leise. Die Unsicherheit in ihrer Stimme überraschte sie selbst.
    »Das ist das zweite Mal«, bemerkte Grag verbittert. »Ihr wisst, dass Ihr mich nicht liebt. Aber bei ihm seid Ihr Euch nicht sicher.«
    »Ich kenne ihn schon lange«, erwiderte sie lahm. Sie wollte sagen, dass sie Brashen nicht liebte. Aber wie konnte man jemanden lange kennen, so lange mit jemandem befreundet sein und ihn nicht auch ein bisschen lieben? Es ist so ähnlich wie meine Beziehung zu Davad Restate, dachte sie. Sie konnte das Verhalten des Händlers verachten und ihn trotzdem als freundlichen, onkelhaften Brummbär sehen. »Trell war jahrelang ein Freund und ein Schiffskamerad. Und was zwischen uns passiert ist, verändert diese Jahre nicht. Ich…«
    »Ich verstehe das alles nicht«, sagte Grag leise. Sie nahm den unterdrückten Ärger in seiner Stimme wahr. »Er hat Euch entehrt, Althea. Er hat Euch kompromittiert. Als ich das herausgefunden habe, war ich ungeheuer wütend. Ich wollte ihn herausfordern. Ich war sicher, dass Ihr ihn hassen müsstet. Mir war klar, dass er den Tod verdient hatte. Ich glaubte, dass er nach dem, was er da getan hatte, nie wieder nach Bingtown zurückkehren würde. Als er es doch tat, hätte ich ihn am liebsten umgebracht. Nur zwei Dinge haben mich zurückgehalten. Ich konnte es nicht tun, ohne den wahren Grund zu verraten, warum ich ihn herausforderte. Und ich wollte Euch nicht beschämen. Außerdem hatte ich gehört, dass er Euch besucht hat. Ich dachte, dass er Euch vielleicht das einzig Ehrenhafte anbot, was ihm noch blieb. Und wenn er es getan hat und Ihr es ihm verweigert habt… Hat er Euch das angeboten? Geht es darum? Fühlt Ihr Euch ihm verpflichtet?«
    Seine Stimme klang verzweifelt. Er bemühte sich so sehr, das zu verstehen.
    Althea stand auf und trat zu ihm. Sie blickte nun ebenfalls in den dunklen Wald hinaus. Die Schatten der Zweige, Bäume und Stämme verwoben sich zu einer schwarzen Wand. »Er hat mich nicht vergewaltigt«, sagte sie. »Das muss ich Euch klarmachen. Was zwischen uns passiert ist, war nicht klug, aber es war auch nicht gewaltsam, und ich trage genauso viel Verantwortung dafür wie Brashen.«
    »Er ist ein Mann.« Grags Worte duldeten keinen Widerspruch. Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Er hat Schuld. Er hätte Euch schützen müssen und Eure Schwäche nicht ausnutzen dürfen. Ein Mann sollte seine Lust kontrollieren. Er hätte stärker sein müssen.«
    Althea war wie betäubt. Sah Grag sie wirklich so? Als eine schwache, hilflose Kreatur, die von dem Mann geführt und beschützt werden musste, der zufällig in der Nähe war? Glaubte er wirklich, dass sie Brashen nicht hätte Einhalt gebieten können, wenn sie gewollt hätte? Sie spürte zuerst eine Kluft zwischen sich und Grag, und dann stieg Wut in ihr hoch. Sie wollte ihn mit ihren Worten aufrütteln, ihn zwingen zu erkennen, dass sie ihr Leben selbst kontrollierte. Doch dann verpuffte der Ärger genauso schnell, wie er gekommen war. Es war hoffnungslos. Sie betrachtete ihre Liaison mit Brashen als etwas sehr Persönliches, was nur sie beide anging. Grag hingegen sah das als etwas, das man ihr angetan hatte, etwas, das sie für immer veränderte. Ihre eigene Scham und ihr Schuldgefühl kamen nicht daher, dass sie etwas Falsches getan hatte, sondern rührten von der Angst her, was eine Entdeckung ihrer Familie antun würde. Diese beiden Sichtweisen waren vollkommen verschieden. Althea wurde mit einer absoluten Gewissheit klar, dass sie niemals etwas Gemeinsames aufbauen konnten. Selbst wenn sie ihre Träume von einem eigenen Schiff aufgegeben hätte, selbst wenn sie plötzlich das Bedürfnis nach eigenen Kindern
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