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Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger

Titel: Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger
Autoren: Robin Hobb
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Die Sommersonne hatte ihn gebräunt, und seine Gesichtsfarbe schien ihn zu einem Teil des abendlichen Waldes zu machen. Als seine Zähne weiß aufleuchteten, erinnerte er wieder an den unbesorgten Matrosen aus Rinstin. Er sah sich auf der Lichtung vor der Hütte um und seufzte zufrieden.
    »Ich bin seit Jahren nicht mehr hier oben gewesen. Als kleiner Junge, noch bevor ich mit Vater gesegelt bin, ist Mutter mit uns vor der schlimmsten Sommerhitze hierher geflüchtet.«
    Althea sah sich in dem kleinen Garten um. Das Haus war kaum mehr als eine Hütte, und der Wald ging fast bis vor die Tür. »Ist es hier im Sommer kühler?«
    »Nur ein bisschen. Aber Ihr wisst ja, wie Bingtown im Sommer stinken kann. Wir waren hier, als die Blutpest das erste Mal zugeschlagen hat. Keiner von uns hat sie bekommen. Mutter glaubte, dass es daran lag, dass wir den bösen Launen der Stadt in diesem Sommer entgangen sind. Danach hat sie uns jedes Jahr hierher gebracht.«
    Sie verstummten beide und lauschten eine Weile. Althea stellte sich vor, wie eine Frau und ihre Kinder in dieser Hütte wohnten. Und sie fragte sich nicht zum ersten Mal, wie ihr Leben verlaufen wäre, wenn ihre Brüder die Blutpest überlebt hätten. Hätte ihr Vater sie dann mit auf das Schiff genommen? Wäre sie jetzt schon verheiratet und hätte eigene Kinder?
    »Was denkt Ihr?«, fragte Grag sie freundlich. Er ließ den Stuhl nach vorn fallen, stützte den Ellbogen auf den Tisch und legte sein Kinn in die Hand. Eine Flasche Wein, zwei Gläser und die Reste eines kalten Essens standen noch auf dem Tisch. Althea hatte das Essen mitgebracht. Die Nachricht, die man ins Haus gesandt hatte, stammte von Grags Mutter und war an ihre gerichtet. Darin bat sie Ronica um Verzeihung, wenn sie fragte, ob Althea eine diskrete Besorgung für die Tenira-Familie erledigen könnte. Keffria hatte fragend die Brauen gehoben, aber vielleicht war ihre Mutter ja der Meinung, dass Althea keinen Ruf mehr hatte, den sie noch verlieren konnte. Sie hatte eine Nachricht geschickt, dass sie gehen könnte.
    In einem Stall in Bingtown wartete ein Pferd auf sie. Althea war losgeritten, ohne genau zu wissen, wohin. Als sie an einer kleinen Taverne in den Außenbezirken von Bingtown vorbeigeritten war, hatte ein Mann, der davor herumlungerte, ihr eine Nachricht in die Hand gedrückt. Die führte sie zu einer Herberge, wo sie Grag zu finden erwartete. Stattdessen bekam sie dort ein frisches Pferd und einen Männermantel mit Kapuze. Das Pferd hatte voll beladene Satteltaschen, und eine neue Nachricht wartete auf Althea.
    Es war sowohl geheimnisvoll als auch abenteuerlich gewesen, Grag aufzuspüren, aber Althea vergaß nie, dass es eine ernste Angelegenheit war. Seit die Ophelia den Zollbeamten den Gehorsam verweigert hatte, hatte sich Bingtown immer mehr entzweit. Es war eine weise Entscheidung gewesen, das Lebensschiff schnell aus dem Hafen zu bringen, denn kurz darauf waren drei neue chalcedanische Patrouillenschiffe eingelaufen. Dieses »rechtzeitige« Erscheinen legte den Verdacht nahe, dass der Zollbeamte engere Kontakte nach Chalced hatte, als selbst Jamaillia wusste. Jemand war in das Quartier des Zollbeamten eingebrochen und hatte ein Blutbad unter den Brieftauben angerichtet. Die Lagerhäuser des Zolls, die den Angriff des ersten Abends überstanden hatten, waren seitdem zweimal niedergebrannt worden. Dies hatte dazu geführt, dass die chalcedanischen Söldner das Quartier des Zollbeamten des Nachts ebenso bewachten, wie sie offensichtlich den Hafen und die angrenzenden Gewässer kontrollierten. Selbst einige der Alten Händler, die am Anfang zurückhaltender gewesen waren, schienen jetzt mehr Verständnis für die zu äußern, die hinter vorgehaltener Hand mehr Unabhängigkeit von Jamaillia forderten.
    In der Person von Grag Tenira hatte sich der Zorn des Zollbeamten auf Bingtown manifestiert. Auf seinen Kopf war eine hohe Summe ausgesetzt worden. Brashens Vorschlag, Althea könnte Grag für so viel Geld verraten, dass man den Paragon reparieren könnte, war zwar ein Scherz gewesen, aber keine Übertreibung. Wenn Grag sich nicht bald in Sicherheit brachte, könnten selbst die, die ihm gegenüber loyal waren, von dem ungeheuren Kopfgeld in Versuchung geführt werden.
    Als sie jetzt in der milden abendlichen Sommerbrise dasaß und ihn anschaute, überkam sie eine böse Vorahnung. Grag musste handeln, und zwar schnell. Sie hatte schon vorher mit ihm gesprochen, und jetzt unternahm sie einen
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