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Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger

Titel: Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger
Autoren: Robin Hobb
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nur ein Messer in den Rücken eingebracht. Und es kann auch nicht jedermann dorthin. Dazu braucht man ein besonderes Schiff. Ein Schiff, wie Ihr eins habt, eines, wie es Igrot früher auch hatte… Ich bin sicher, Ihr wisst jetzt, worauf ich hinauswill. Es gibt Orte, an die nur ein Lebensschiff gelangen kann. Aber jetzt habe ich Euch genug erzählt. Lasst mich am Leben, und ich führe Euch dorthin. Aber Ihr müsst mich am Leben lassen.«
    Kennit antwortete nicht. Er schwieg und stand regungslos neben der Tür. Wintrow sah Etta an. Sie war genauso still wie Kennit. Und wartete.
    »He! Heh, Ihr da, Kapitän! Was sagt Ihr dazu? Ist das ein Handel? Es ist ein größerer Schatz, als Ihr Euch vorstellen könnt. Haufen von Gold, und die Hälfte davon ist Bingtowner Händlerzeug. Ihr könnt einfach hineingehen und es Euch holen. Ihr wärt der reichste Mann, der jemals gelebt hat. Ihr müsst nur befehlen, dass ich am Leben bleibe.« Der Koch klang euphorisch. »Ist das nicht ein faires Geschäft?«
    Die Schlagseite des Schiffes war nun deutlich zu spüren. Wintrow hörte, wie Sorcor und seine Leute die Sklaven antrieben. Plötzlich erhob einer die Stimme. »Er ist tot, Frau! Wir können nichts für ihn tun. Lass ihn hier!« Eine Frau heulte abrupt auf, aber an der Tür war alles ruhig. Kennit gab keinen Laut von sich.
    »Heh! Heh, Kapitän, seid Ihr noch da?«
    Kennit kniff die Augen zusammen, als würde er nachdenken. Er schien beinahe zu lächeln. Wintrow lief ein Schauer über den Rücken. Er war nervös. Es wurde Zeit, dieses Schiff zu verlassen. Es drang immer mehr Wasser ein, und je schwerer es wurde, desto mehr Macht bekam das Meer über das Schiff. Er wollte etwas sagen, aber Etta stieß ihm den Ellbogen in die Seite. Gleichzeitig passierte etwas anderes. Wintrow sah zu und versuchte zu verstehen. Hatte sich Kennits Messerhand zuerst bewegt, oder hatte er die Bewegung des Mannes hinter der Tür gesehen? Die beiden kamen so schnell und so synchron zusammen, wie wenn man in die Hände klatscht. Kennits Messer drang tief in das gesunde Auge des Kochs ein und glitt sofort wieder heraus. Der Leichnam des Mannes sackte zurück in die Kombüse. »Es gibt keine Überlebenden von Igrots Mannschaft«, sagte er und holte zitternd Luft. Als er sich umsah, blinzelte er, als erwache er aus einem Traum.
    »Steht hier nicht herum. Das Schiff geht unter!«, rief er wütend. Mit dem blutigen Messer in der Hand ging er zur Viviace zurück. Etta wich nicht von seiner Seite. Die Frau schien von dem, was da eben passiert war, nicht beunruhigt zu werden. Wintrow folgte ihnen benommen. Wie konnte der Tod so schnell zuschlagen? Was Kennit getan hatte, war für den Jungen ein ungeheurer Schock. Ein kurzes Zucken der Hand des Piraten, und schon holte sich der Tod sein Opfer. Und doch empfand der Mann, der das Messer geführt hatte, nichts. Wintrow fühlte sich durch seine Verbindung zu dem Mann beschmutzt. Er sehnte sich plötzlich nach Viviace. Sie würde ihm helfen, darüber nachzudenken. Sie würde sagen, dass es keinen Grund für die Schuld gab, die er empfand.
    Kennit hatte kaum seinen Fuß auf das Deck der Viviace gesetzt, als sie auch schon nach ihm rief. »Kennit! Kapitän Kennit!« Ihre Stimme hatte einen gebieterischen Unterton, den Wintrow noch nie darin wahrgenommen hatte. Kennit grinste zufrieden.
    »Bringt die Sklaven unter, und löst die Haken von dem Kahn!«, befahl er barsch. Er sah Wintrow und Etta an. »Sorgt dafür, dass sie so sauber wie möglich gemacht werden. Und haltet sie achtern!« Er drehte sich um und eilte zu der Galionsfigur.
    »Er will mit ihr allein sein.« Etta äußerte diese Bemerkung vollkommen sachlich. Aber in ihrem Blick glühte Eifersucht.
    Wintrow sah zu Boden, damit sie nicht denselben Ausdruck in seinen Augen bemerkte.

    »Für einen Mann, der sich versteckt hält, lebt Ihr aber sehr stilvoll«, bemerkte Althea und lächelte.
    Grag grinste, zufrieden mit sich selbst. Er lehnte sich auf dem schmalen Stuhl zurück, auf dem er hockte. Dann streckte er die Hand aus und schlug lässig gegen die Zinnlaterne an dem Ast über seinem Kopf. »Was ist das Leben ohne Stil?«, fragte er rhetorisch. Sie lachten beide unbeschwert auf.
    Die schwingende Laterne ließ das Licht um sie herum tanzen. Und die Kerzenflamme spiegelte sich in seinen dunklen Augen. Er trug ein dunkles Hemd, das am Hals offen stand, und eine weite, weiße Hose. Wenn er den Kopf drehte, schimmerte das Licht sanft auf seinem goldenen Ohrring.
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