Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zauber einer Winternacht

Zauber einer Winternacht

Titel: Zauber einer Winternacht
Autoren: Nora Roberts
Vom Netzwerk:
wohlriechenden Eintopf.
    Sie sprach wenig. Er wusste, dass sie wartete. Darauf, dass er die Tür öffnete, die er am Abend zuvor schon aufgeschlossen hatte. Auch er wartete. Auf einen günstigen Moment. Es war schon Nachmittag, als er entschied, dass sie ausgeruht und entspannt genug wirkte. Er nahm seinen Zeichenblock und ein Stück Kohle und begann zu arbeiten, während sie ihm gegenübersaß und Äpfel schälte.
    »Warum Denver?«
    Nur ein leichtes Zucken des Messers verriet, dass sie überrascht war. Sie sah nicht auf und schälte weiter. »Weil ich noch nie dort war.«
    »Wäre in Ihrem Zustand nicht eine Stadt, die Sie kennen, besser?«
    »Nein.«
    »Warum haben Sie Dallas verlassen?«
    Sie legte den Apfel hin und nahm sich einen neuen. »Weil es an der Zeit war.«
    »Wo ist der Vater des Babys, Laura?«
    »Tot.« In ihrer Stimme lag nicht der geringste Hauch einer Gefühlsregung.
    »Sehen Sie mich an.«
    Ihre Hände stellten die Arbeit ein, als sie langsam den Blick hob. Er sah ihr an, dass sie die Wahrheit gesagt hatte.
    »Haben Sie keine Familie, die Ihnen helfen könnte?«
    »Nein.«
    »Und was ist mit seiner?«
    Diesmal zuckten ihre Hände. Die Messerschneide streifte einen Finger, und die Kuppe färbte sich rot. Gabriel ließ den Block fallen und griff nach ihrer Hand. Einmal mehr sah sie ihr aus zügigen Kohlestrichen entstandenes Gesicht.
    »Ich hole Ihnen ein Pflaster.«
    »Es ist nur ein Kratzer«, begann sie, aber er war schon fort. Als er zurückkam, betupfte er die Wunde mit einem Desinfektionsmittel. Erneut war Laura erstaunt, mit welcher Sorgfalt er vorging. Der Schmerz ließ nach, und sie spürte seine Berührung noch intensiver als zuvor.
    Er kniete vor ihr und musterte die Wunde mit gerunzelter Stirn. »Wenn Sie so weitermachen, glaube ich bald, dass Sie Unfälle praktisch anziehen.«
    »Und ich glaube bald, dass Sie der wiedergeborene barmherzige Samariter sind.« Sie lächelte, als er aufblickte. »Wir würden uns beide irren.«
    Gabriel klebte das Pflaster über den kleinen Schnitt und kehrte zu seinem Stuhl zurück. »Drehen Sie den Kopf etwas zur Seite, nach links.« Sie kam der Bitte nach, er griff nach dem Block und schlug ein neues Blatt auf. »Warum wollen die das Baby?«
    Ihr Kopf fuhr herum, aber er zeichnete ungerührt weiter.
    »Ich möchte das Profil, Laura.« Seine Stimme war leise, aber energisch. »Drehen Sie den Kopf zurück und versuchen Sie, das Kinn oben zu lassen. Ja, genau so.« Er schwieg, während unter der Kohle ihr Mund Gestalt annahm. »Die Familie des Vaters will das Baby. Ich will wissen, warum.«
    »Das habe ich nie behauptet.«
    »Doch, das haben Sie.« Er musste sich beeilen, wenn er das zornige Flackern in ihren Augen einfangen wollte. »Lassen Sie uns nicht darüber streiten. Erzählen Sie mir einfach nur, warum.«
    Sie presste die Hände gegeneinander, und in ihrer Stimme lag ebenso viel Angst wie Zorn. »Ich muss Ihnen gar nichts erzählen.«
    »Nein.« Die Kohle glitt über das Papier, und er spürte dabei einen Anflug von Erregung und, er konnte es kaum glauben, von Verlangen. Das Verlangen verwirrte ihn. Mehr noch, es beunruhigte ihn. Er schob es beiseite und konzentrierte sich wieder darauf, ihr die Antworten zu entlocken. »Aber ich gebe mich damit nicht zufrieden.«
    Da er wusste, wie er hinsehen musste, um jede Feinheit zu erkennen, entging ihm das subtile Spiel der Gefühle in ihrem Gesicht nicht. Angst, Zorn, Frustration. Es war die Angst, die ihn anstachelte, das Verhör fortzusetzen.
    »Glauben Sie etwa, ich würde Sie und Ihr Baby diesen Leuten ausliefern? Wer immer sie auch sein mögen? Denken Sie doch einmal nach. Ich hätte überhaupt keinen Grund, das zu tun.«
    Er hatte damit gerechnet, dass er sie anschreien würde, wenn sie nicht antwortete. Jedenfalls war er kurz davor. Doch dann tat er etwas, das sie beide überraschte. Er streckte den Arm aus und griff nach ihrer Hand. Dass ihre Finger sich in seine schmiegten, erstaunte ihn mehr als sie. Als sie ihn ansah, stiegen in ihm Gefühle auf, von denen er geglaubt hatte, dass es sie nicht mehr gab.
    »Sie haben mich gestern Abend um Hilfe gebeten.«
    Ihre Augen blickten voller Dankbarkeit, doch ihre Stimme klang hart und fest. »Sie können mir nicht helfen.«
    »Vielleicht kann ich das wirklich nicht. Vielleicht will ich es auch gar nicht.« Obwohl es ihm eigentlich gegen das ging, was er für seinen Charakter hielt, wusste er, dass er es sehr wohl wollte. »Ich bin kein Samariter, Laura,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher