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Zarias Geheimnis

Zarias Geheimnis

Titel: Zarias Geheimnis
Autoren: Victoria Hanley
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aber wir wollten Oberon-Stadt erkunden.«
    Beryl behauptete immer, sie durchschaue jeden Lügner – sie sagte, sie hätte in den vielen Jahrzehnten als Lehrerin ein Gespür für die Wahrheit entwickelt. Oh, wie ich hoffte, dass sie dieses eine Mal Leonas Lüge nicht durchschauen würde.
    Die Stille hallte in unseren Ohren, bevor Beryl antwortete: »Ich weiß , wo ihr wart.«
    Meine Flügel zitterten und taten höllisch weh. Ein stechender Schmerz durchbohrte meine Brust und breitete sich bis in meine Arme aus.
    Beryl flog näher an uns heran. »Eine Elfe hat heute eines ihrer Patenkinder durch ein Skop beobachtet.« Sie stieß mit ihrem Stab in die Luft. »Stellt euch ihr Entsetzen vor: zwei junge Elfen bei einem unerlaubten Ausflug auf die Erde. Zwei Elfen, die sich am helllichten Tage Menschen zeigen. Und vor aller Augen fliegen.«
    Leona rappelte sich auf. »Ich verstehe nicht, warum kein Mensch uns sehen darf.«
    Beryl faltete ihre Flügel, nahm den Stab jedoch nicht herunter. »Es ist ein über dreihundert Jahre alter Grundsatz, dass wir uns auf der Erde niemandem zeigen – wie du sehr wohl weißt.«
    »Sie waren unbewaffnet«, protestierte Leona.
    »Es hat Jahrhunderte gedauert, die Menschen davon zu überzeugen, dass es keine Elfen gibt«, fauchte Beryl. »Sie müssen nur ein paar von uns sehen, um uns wieder fangen zu wollen.«
    Ich wünschte, Leona würde aufhören, herumzudiskutieren, aber sie machte unbeirrt weiter. »Wie sollten sie uns fangen können?«, schrie sie. »Sie können nicht mal fliegen!«
    »Menschen können überraschend raffiniert sein … und grausam«, klärte Beryl sie auf.
    Leona schüttelte trotzig den Kopf, doch bevor sie irgendetwas erwidern konnte, wandte sich Beryl an mich. »Und was ist deine Meinung dazu, Zaria?«, fragte sie mich in ihrem eisigsten Tonfall. »Stellt die Welt der Menschen eine Gefahr für das Elfenvolk dar?«
    Leona blickte von Beryl zu mir. Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich, und sie machte den Mund zu.
    Beryl wartete meine Antwort nicht ab. »Nach allem, was deiner Familie widerfahren ist, hätte ich das von dir nicht erwartet, Zaria.«
    Meine Flügel fühlten sich kraftlos an. Ich wollte aufstehen, rührte mich aber nicht vom Fleck.

Während Beryl Leona und mich weiterhin mit missbilligenden Blicken durchbohrte, trat eine weitere Gestalt hinter einer Säule hervor. Blutstein. Seine graue Haut zog sich straff über seine Wangenknochen, und sein dünner Mund wirkte wie ein in Stein gemeißelter Schlitz.
    Dieses eine Mal beachtete ich ihn gar nicht. »Beryl, soll das heißen, du weißt, wie meine Eltern … gestorben sind?« Bei den letzten beiden Worten versagte mir die Stimme.
    »Das soll heißen, dass sie so wie du heute leichtsinnig Risiken eingegangen sind.«
    »Sie waren nicht leichtsinnig!« Aber als ich in ihr Gesicht sah, kamen mir Zweifel.
    Blutstein meldete sich zu Wort. »Wegen eures kleinen Abenteuers heute sind Frau Danburit und ich einen ganzen Grad ärmer, als wir es heute Morgen waren.« Er fuchtelte mir mit seiner Kristalluhr vor dem Gesicht herum, öffnete aber den Deckel des Zifferblatts nicht, damit ich seinen Radia-Vorrat sehen konnte. Er und Beryl waren beide im gelben Bereich. Hatten sie wirklich jeweils tausend Radia verbraucht? Das war ein großer Verlust. Zu groß. Ich zitterte am ganzen Körper und wagte es nicht, Leona anzusehen.
    »Um eure Fehler wiedergutzumachen, mussten Herr Blutstein und ich den gesamten Zeitplan der Aussichtsstation umdisponieren«, klärte uns Beryl wutschäumend auf, »um Zugang zu den Sendeports zu erhalten.«
    Was meinte sie damit?
    »Wir mussten die Skope benutzen, um alle Menschen, die euch auf der Erde gesehen haben, mit Notvergessenszaubern zu belegen«, fügte Blutstein finster hinzu.
    »Bis zum letzten Kind«, erklärte Beryl. »Als eure Lehrer sind wir für euch verantwortlich.«
    »Zu allem Übel«, fuhr Blutstein fort, »hat euch keine gewöhnliche Elfe angezeigt. Es war ein Mitglied des Hohen Rates, Lily Morganit.«
    Der Name sagte mir nichts, denn ich hatte mich nie besonders für den Hohen Rat interessiert. Doch als ich Leona nach Luft schnappen hörte, wurde mir der Ernst der Lage bewusst.
    »Es tut mir leid«, sagte ich voller Verzweiflung. »So unendlich leid.«
    »Es tut dir leid? Zaria, habe ich dir denn gar nichts beigebracht?« Beryl hob die Stimme. »Du bist offensichtlich noch nicht für deine Kristalluhr und deinen Zauberstab bereit. Und du ebenfalls nicht, Leona. Ihr werdet
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