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Zarias Geheimnis

Zarias Geheimnis

Titel: Zarias Geheimnis
Autoren: Victoria Hanley
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bestimmte Form zu schneiden. Ich erkannte an der Blattform, dass es ein Ahorn war. Ich drückte die Wange gegen die Borke und atmete tief ein. Das Holz duftete würzig. »Du bist wunderbar«, murmelte ich.
    Leona lachte. »Bäume können nicht sprechen.«
    »Ich weiß.«
    »Bäume sind harmlos, aber nehmt euch vor Menschen in Acht«, äffte sie Blutstein nach. »Sie können sehr gefährlich sein, schlimmer als Trolle, völlig unberechenbar.« Ihre Augen funkelten, und ich fragte mich, ob sie sich überhaupt daran erinnerte, dass meine Familie auf der Erde gestorben war.
    Ich schlenderte zwischen den Bäumen umher und dachte an meine Mutter, etwas, das ich äußerst selten tat. Im Gegensatz zu mir war sie eine farbenprächtige Elfe gewesen. Weiches weißes Haar, lavendelfarbene Haut und Flügel von einem so dunklen Gelb, dass sie nahezu golden wirkten. Ihre Augen waren schwarz und so ungezähmt gewesen wie ein tosender Sturm.
    Warum hatten die Menschen sie umgebracht?
    Das Wäldchen endete bei einem Weg, der kreisförmig um eine mit sattgrünem, kurz geschnittenem Gras bedeckte Lichtung herum verlief. In der Mitte war ein Spielplatz. Der unter den blau-roten Klettertürmen ausgestreute Sand erinnerte mich an Galena. Menschenkinder rannten und sprangen auf den Türmen umher, als wünschten sie sich, sie könnten fliegen.
    Fasziniert von dem Schauspiel standen Leona und ich im Schatten einer hohen Pappel.
    »Für Halloween seid ihr ein bisschen zu früh dran, meint ihr nicht, Mädels?«, hörte ich eine Stimme zu meiner Linken.
    Aufgeschreckt wirbelte ich herum und erblickte eine grün gekleidete Frau mit einem breitkrempigen beigefarbenen Hut. Ihre Arme ruhten auf dem Griff eines Wagens, in dem ein kleines Menschenkind schlief.
    »Eure Kostüme sind spitze«, sagte sie, »und eure Schminke ist der Wahnsinn.«
    Ich blinzelte sie an. Was auch immer ich mir unter einem Menschen vorgestellt hatte, das war es nicht.
    »Was für ein außergewöhnlicher Stoff«, fuhr sie fort und strich mir über den Ärmel. »So etwas habe ich noch nie gesehen. Er sieht durchsichtig aus, ist es aber nicht. Wo habt ihr den her?«
    Dann berührte sie einen meiner Flügel. »Wow«, entfuhr es ihr, während sie unbekümmert an dem Rand rieb. »Wo habt ihr dieses Material gefunden?« Sie hob einen Teil meines Flügels an ihr Gesicht. »So fein und zart, und doch so stark. Und die Adern! Was für ein toller Einfall. Du siehst wie ein riesiger Schmetterling aus.«
    Es schien ihr gar nicht aufzufallen, dass ich ihre Fragen nicht beantwortete.
    »Ich nähe gern«, erklärte die Frau. »Habt ihr euch die Kostüme schneidern lassen?«
    »Äh«, nuschelte ich.
    »Spielt ihr zwei in einem Theaterstück mit?«, fragte sie weiter.
    Ich schüttelte den Kopf.
    Wer weiß, was sonst noch passiert wäre, wenn das Kind im Wagen nicht aufgewacht wäre und angefangen hätte zu weinen.
    »Es ist alles in Ordnung, Mäuschen«, beruhigte die Frau es sanft, ließ meinen Flügel los und ging in die Hocke, um den Kopf des Kindes zu tätscheln.
    Mäuschen brüllte.
    »Na schön, gehen wir nach Hause«, meinte die Frau und richtete sich auf. »Tschüs, Mädels. Eure Kostüme sind wirklich wunderschön!« Sobald sie sich mit demKinderwagen auf den Nachhauseweg machte, beruhigte sich das Kind.
    Ich sah ihr nach und erblickte einen hoch gewachsenen Jungen mit hellem Haar und heller Haut, der den Weg hinunter auf uns zumarschiert kam. Als sein Blick auf Leona fiel, schenkte er ihr ein breites Grinsen.
    Der erste Anblick von Jason Court hätte mich nicht erschrecken sollen. Er war ein gesundes und attraktives Exemplar eines Menschenjungen. Ich hatte keinen Grund, mich unwohl zu fühlen, und doch hatte ich ein flaues Gefühl im Magen – als hätte ich vom ersten Moment an geahnt, wie viel Ärger er verursachen würde.
    Ich rannte zurück in den Schatten der Bäume in der Hoffnung, dass Leona mir folgen würde und wir gehen konnten. Stattdessen hatte sie der Junge offenbar völlig in seinen Bann geschlagen. Er blieb neben ihr stehen und stellte sich vor. Sie wiegte sich auf den Zehen, während ihr Rock ihre Fußgelenke umspielte.
    Wir hätten nicht auf die Erde kommen sollen. Nicht jetzt, nicht am helllichten Tag und unter freiem Himmel. Bei Nacht wäre es sicherer gewesen. Zwei Menschen hatten uns bereits gesehen – drei, wenn man das Kleinkind mitzählte. Was war, wenn jemand in Elfenland davon erfuhr?
    Mit einem mulmigen Gefühl im Magen blickte ich über den Spielplatz
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