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Zarias Geheimnis

Zarias Geheimnis

Titel: Zarias Geheimnis
Autoren: Victoria Hanley
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etwas, so wie sie es manchmal im Unterricht tat. »Ich bin zweihundertachtzehn Jahre alt«, sagte sie. »Erwarten Sie etwa von mir, dass ich nach Galena ziehe und eine verwaiste Elfe aufziehe?«
    Verwaiste Elfe. War das etwa ich?
    »Sie hat sonst niemanden.«
    Beryl Danburit schluckte, blinzelte und brachte ihre Flügel unter Kontrolle. »Also schön«, sagte sie.
    »Danke.« Ratsmitglied Wolframit verneigte sich vor ihr. »Ich komme morgen wieder, um Sie offiziell als Zarias Vormund zu bestätigen.«
    Sie verneigte sich nicht und verabschiedete sich nicht von ihm. Ich ebenfalls nicht.
    Als er weg war, wandte sie mir den Blick zu. »Verstehst du, was das bedeutet, Zaria? Ich werde hier bei dir bleiben, bis du erwachsen bist.«
    Ich wollte etwas sagen, aber eine Eiseskälte umfing mich.
    »Es tut mir leid«, sagte sie. »Deine Eltern werden nie wieder zurückkehren. Dein Bruder ist auch für immer verschwunden.«
    Als ich diese Worte hörte, geschah etwas ganz Seltsames. Ich hatte das Gefühl, als ob sich tief in meinem Herzen ein Vorhang auftat, der aus einem schweren und dicken Stoff gewoben war.
    Sie seufzte. »Ich werde mich bemühen, dir ein guter Vormund zu sein. Sei also so gut, mir keine Scherereien zu machen.«
    Der Vorhang verdichtete sich. Je enger er sich schloss, je weniger musste ich an meine verschollene Familie denken. Und ich konnte Beryl Danburit ansehen und nahezu nichts dabei fühlen.

Meine Freundin Leona flattert fast nie nervös herum, aber als sie zum ersten Mal die große Pforte von Galena passierte, zitterten ihre silbernen Flügel wie ein sich kräuselnder Spiegel. Direkt hinter ihr folgte Andalonus, der unentwegt auf und ab sprang, während ihm sein blaues Haar um den Kopf wogte.
    Meteor flog zufällig neben mir, an der Pforte blieb er jedoch stehen. »Nach dir, Zaria«, sagte er mit Augen, die wie perfekt geschliffene Smaragde leuchteten.
    Als ich an den magischen Säulen vorbeiglitt, die Galena beschützen, konnte ich das aufgeregte Beben meiner Flügel nicht unterdrücken. Meine Freude war einfach zu groß.
    Wir hatten warten müssen, bis alle in unserer Klasse das vierzehnte Lebensjahr erreicht hatten, bevor auch nur einer von uns nach Oberon-Stadt gehen durfte. Ein schreckliches und dummes Gesetz, das man jedoch wie alle Gesetze in Elfenland mit großer Strenge durchsetzte. Deshalb waren wir in Galena festgesessen, wo nur Neugeborene, Kleinkinder und Jugendliche mit ihren Eltern lebten, bis ich, Zaria Turmalin, die Jüngste in unserer fünfzigköpfigen Klasse, endlich vierzehn wurde.
    Es tat mir leid, dass neunundvierzig andere Elfen meinen Geburtstag hatten abwarten müssen. Wenn ich ihn hätte herbeizaubern können, hätte ich ihn gemeinsam mit Andalonus gefeiert, als er fünf Wochen vor mir vierzehn wurde.
    Sobald wir die Pforte passiert hatten und Oberon-Stadt betraten, befahl uns Herr Blutstein, unser Lehrer, zu Fußzu gehen. Gehen! Als würden wir Unfälle verursachen, wenn wir flogen. Es war völliger Unsinn, weil wir alle schon seit unserem vierten Lebensjahr fliegen konnten.
    Unter unseren Füßen spürten wir harte Granitplatten statt des weichen Sands, der aus Sicherheitsgründen in ganz Galena verstreut war. Wir mussten die Hälse recken, um die Gebäude zu sehen. Und was für Gebäude! In Galena waren alle Bauwerke niedrig, damit sich junge Elfen nicht verletzten. Aber in Oberon-Stadt ragten um uns herum riesige Kuppeln auf, die in Silber, Gold, Platin und Kupferrot schimmerten. Und jenseits der Kuppeln erblickte ich gewaltige, mit Edelsteinen übersäte Türme.
    Portia Peridot kreischte vor Aufregung und sprang fünf Flügelspannweiten in die Höhe, bis Herr Blutstein sie anbrüllte: »Bleib auf dem Boden, Portia, oder ich binde dir die Flügel zusammen!«
    Portia kam so schnell herunter, dass ihre Landung auf dem harten Fußweg bestimmt schmerzhaft war. Mit herunterhängenden Flügeln humpelte sie weiter. Ich starrte wütend Löcher in Blutsteins Rücken. Typisch für ihn, uns wie Kleinkinder zu behandeln, und das selbst in Oberon-Stadt!
    Blutstein betrat durch einen Marmorbogen eine Aussichtsstation, in der es vor erwachsenen Elfen nur so wimmelte. Er beachtete diese nicht weiter und führte uns in einen abgetrennten Raum.
    Wie Kleinkinder, die zum ersten Mal farbigen Rauch erblickten, rissen wir verwundert die Augen auf. Kabinen aus Kristall, so durchsichtig wie ungetrübte Regentropfen, ragten weit aus der Westmauer heraus. In jeder Kabine befand sich ein Skop, ein
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