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Zarias Geheimnis

Zarias Geheimnis

Titel: Zarias Geheimnis
Autoren: Victoria Hanley
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vergessen.
    »Dieser Felsblock ist mit einem Zauber belegt«, flüsterte Leona, »der Kinder davon abhält, darauf zu spielen.«
    »Mit einem dauerhaften Zauber?«, fragte ich beeindruckt.
    Sie nickte.
    »Woher weißt du das?«
    »Ich sage es dir, sobald wir auf der anderen Seite sind.« Leona blickte sich um, trat daraufhin in den Felsblock und verschwand.
    Ich zögerte gerade lange genug, um tief durchzuatmen. Ehrlich gesagt, selbst wenn mir jemand erzählt hätte, dass mich das Portal in einen Troll verwandeln oder mich zwingen würde, zehn Jahre lang mit fünfzehn Zwergen zusammenzuleben, wäre ich trotzdem hindurchgegangen.

Leona schwebte grinsend vor mir. Ich blickte zum Sandsteinfelsblock zurück. Auf der Erdenseite sah er genauso aus wie auf Tirfeyne: ein glanzloser Steinbrocken in einem Gewirr bunter Zinnien. Nur stand er hier auf einem Hügel mitten in einer goldenen Wiese.Ich drehte mich mit weit zum Himmel ausgebreiteten Flügeln im Kreis.
    Leona musterte mich eingängig. »Deine Flügel glänzen.«
    Es war lieb von ihr, das einzige Schönheitsmerkmal zu betonen, das ich besaß: meine violetten Flügel. Von ihnen abgesehen war ich so farblos, dass ich andere oft flüstern hörte, ich stäche nicht mehr als ein Schatten hervor. Meine Haut war gräulich lavendelfarben, während mein Haar eine noch blassere Schattierung derselben trostlosen Farbe aufwies. So unscheinbar zu sein, war bei einer Elfe sehr ungewöhnlich; mein langweiliges Aussehen schien manchmal wie ein Zauber zu wirken, der andere meine Anwesenheit vergessen ließ. Na ja, wenigstens konnten sich meine Augen mit der Schönheit meiner Flügel messen. Aber eine Freundin meiner Mutter bemerkte einmal, dass es verblüffend sei, derart strahlende violette Augen aus einem so blassen, kleinen Gesicht blicken zu sehen. (Meine Mutter erwiderte nur kühl, es sei gewiss merkwürdig, wie unterschiedlich Elfen bestimmte Dinge wahrnahmen.)
    Was Leona betraf, waren sich jedoch alle einig: Sie war bildschön.
    Ich blickte mich um. Im Westen zeichneten sich deutlich die Umrisse eines Vorgebirges gegen den Himmel ab. In der anderen Richtung traf das hohe Gras auf eine Baumreihe. Dahinter konnte ich die Gebäude einer Stadt der Menschen ausmachen.
    »Komm, wir schauen uns ein wenig um«, sagte Leona.
    »Du hast gesagt, du würdest mir verraten, woher du von dem Portal weißt.«
    Sie hob das Kinn. »Ich bin eines Nachts heimlich meiner Mutter gefolgt.«
    »Du hast gesehen, wie sie es benutzt hat?«
    Leona nickte. »Ich glaube, sie hat es geschaffen. Sie muss hier irgendwo in der Nähe ein Patenkind haben.«
    »Ein Patenkind?« Aber warum hatte Leonas Mutter, Doreen Blutstein, ein illegales Portal in Galena erschaffen? Jede Elfenpatin konnte die Skope in Oberon-Stadt benutzen, um über ihr Patenkind zu wachen. War es nicht ausgesprochen riskant, die Gesetze Elfenlands zu brechen, nur um schnell bei einem Menschen zu sein?
    Leona zuckte mit den Schultern. »Warum hätte sie es sonst getan?«
    Ich wusste es nicht. Ich hatte immer gedacht, Doreen Blutstein wäre stolz auf ihre Stellung als Elfe mit großen magischen Kräften. Zu stolz. Und auch wenn ich es gut verbarg, mochte ich sie nicht. Sie lachte mir zu viel. Nach dem Verschwinden meiner Eltern kicherte sie jedes Mal angespannt, wenn sie von ihnen sprach, ein heiseres, kleines Glucksen, das mich nervös machte.
    Leona breitete ihre Flügel aus. »Los, erkunden wir die Gegend«, wiederholte sie.
    Wir wussten, dass Elfen auf der Erde nicht fliegen sollen, aber es war ein so herrliches Gefühl, durch die Lüfte zu sausen. Wie ich es liebte, über die Weite des Landes zu gleiten, während eine sonnendurchflutete Brise meine Flügel trug.

Als Leona und ich uns der Menschenstadt näherten, verzichteten wir darauf zu fliegen und gingen zu Fuß auf einem Pfad weiter, der sich durch das wild wachsende Gras auf die Bäume zu schlängelte. Obwohl ich von der Erde völlig hin und weg war, hatte ich auch ein wenig Angst.
    »Was ist los?«, fragte Leona.
    »Nichts.« Ich wollte nicht über meine Eltern oder meinen verschollenen Bruder reden. Fünf Jahre waren eine lange Zeit. Leona musste es so vorkommen, als wäre ich schon immer Waise gewesen. Schließlich erwähnte ich meine Familie nie.
    Meine Stimmung wurde besser, als wir das Wäldchen erreichten. Ich blieb stehen und schlang die Arme um einen Baumstamm. Jedes Blatt an den überhängenden Ästen sah aus, als habe ein Künstler Stunden damit verbracht, es in eine
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