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Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)

Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)

Titel: Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)
Autoren: Ellen Renner
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du ihn niemals den Magiern ausgeliefert hättest, wenn dieser verfluchte Bastard nicht dein Kind gehabt hätte.« Sie ballt die Hände zu Fäusten. »Eines Tages werde ich ihn töten«, stößt sie voll finsterer Entschlossenheit hervor. »Aber dich kann ich nicht töten. Bruin würde es nicht wollen.« Twiss hebt den Kopf und sieht mich an. In ihren Augen spiegelt sich eine seltsame Ratlosigkeit, und als sie spricht, klingt es wie eine Frage: »Ich stimme für Leben.«

35
    D er Sommer neigt sich dem Ende zu. Die ersten Vorboten des Herbsts liegen in der Luft. Fröstelnd ziehe ich meine wollene Jacke enger. Der starke Wind treibt den Rauch der Köhler Richtung Berge, reinigt die Gassen vom Gestank der Gerbereien, weht mir das Haar aus dem Nacken und lässt Philip, der damit beschäftigt ist, die Verladung seiner Zeichenutensilien auf den Rücken eines Maultiers zu beaufsichtigen, die Robe um die langen Beine flattern. Die Tributin, die für das Tier verantwortlich ist, verdreht seufzend die Augen, als sie den Strick, mit dem die Ausrüstung gesichert ist, zum dritten Mal festbinden muss. Einen Augenblick später schaut Philip auf, sieht mich und fängt an zu strahlen.
    »Ist das nicht wunderbar!«, ruft er über das Tosen des Winds und die Köpfe der restlichen Erkenntnissuchenden hinweg. Manche schultern gerade ihr Gepäck oder richten ihr Schuhwerk, andere stehen bloß da und blinzeln in die Sonne, die sie so lange entbehren mussten. Und zwischendurch wandern ihre Blicke zu der in der Ferne liegendenStadt zurück, über der noch immer schwarzer Rauch aufsteigt. Rauch, der den Beginn eines Kriegs kennzeichnet.
    Jedes ihrer Gesichter erzählt eine andere Geschichte: Staunen, Furcht vor dem Unbekannten, Freude, Rachsucht, Kummer. Einige, wie Philip, können es nicht erwarten, sich auf den Weg zu machen. Die meisten haben Tränen in den Augen. Die letzten Erkenntnissuchenden von Asphodel fliehen aus der Stadt.
    Ich gehe mit ihnen. Ich weiß nicht, ob ich mich freue oder Angst habe. Ich scheine im Moment nur sehr wenig zu wissen. Mein Blick wandert zu Aidan hinüber, der seinen Lehrling auf den Schultern trägt, sodass das weißblonde Haar des Jungen wie eine Fahne über uns weht. Ich wende den Kopf ab und gehe zu Philip.
    »Weiß Otter, dass Ihr einen seiner Packesel beschlagnahmt habt und ihn mit nutzlosen Zeichnungen statt mit Essen und Decken beladet?«
    »Nutzlos?«, entgegnet Philip empört und schüttelt dann gutmütig den Kopf, als er sieht, dass ich ihn nur aufziehe. »Wie Ihr wisst, brauchen wir diese Konstruktionspläne als Tauschware für die Erschaffer. Sie werden uns nicht nur aus reiner Nächstenliebe aufnehmen.«
    Noch vor wenigen Monaten hätte ich dagegengehalten, dass die Erschaffer unsere natürlichen Verbündeten sind und uns mit offenen Armen empfangen werden. Jetzt nicke ich nur kurz und stelle die Frage, die jeden hier beschäftigt: »Glaubt Ihr, wir schaffen es bis zum Großen Wall?«
    »Ich glaube, unsere Chancen stehen nicht schlecht«, antwortetPhilip. »Die Streitkräfte Eures Vaters sind nach wie vor in Unordnung, das wird sich auch auf die Grenzpatrouillen auswirken. Und wir haben Otter, der uns führt. Aber es ist ein langer, harter Marsch von mehr als zwei Wochen. Manche dieser Menschen werden den Strapazen vielleicht nicht gewachsen sein.«
    Ich folge seinem Blick und entdecke Tabitha. Die Diebe haben sich geweigert, ihr noch länger Unterschlupf zu gewähren. Überhaupt hat Herrin Floster alle Nicht-Diebe aufgefordert, die Katakomben zu verlassen. Sie bereitet ihr Volk auf einen totalen Krieg vor. Um Tabitha tut sich jedes Mal ein unsichtbarer Graben auf, wenn sie zwischen den anderen hindurchgeht. Ich weiß nur zu gut, was es bedeutet, unter Menschen zu leben, von denen man gehasst wird und die einem misstrauen. Diesmal ist es nicht der Wind, der mir eine Gänsehaut über den Rücken jagt.
    Aidan schließt zu der Silberschmiedin auf und hebt den Jungen von seinen Schultern. Dann beugt er sich zu seinem ehemaligen Lehrling hinunter und spricht mit ihm. Die Liebe, die ich in seiner Stimme höre, zieht mich wie magisch in seine Richtung. Ich wünschte, ich wäre das Kind und nicht die Magierin. Ein paar Schritte von ihm entfernt bleibe ich stehen, weil ich Angst habe, ihn sonst zu vertreiben.
    »Vielen Dank, Aidan, dass du ihn zurückgebracht hast. Er läuft mir immer wieder davon, um sich die Maultiere anzuschauen. Ich hoffe, dass er nicht irgendwann in der Menge verloren geht.«
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