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Zärtlich wie ein Krieger / Wächter der Seelen. Roman

Zärtlich wie ein Krieger / Wächter der Seelen. Roman

Titel: Zärtlich wie ein Krieger / Wächter der Seelen. Roman
Autoren: Annette McCleave
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zerstreuen, wirklich sehr zu schätzen.«
    »Es ist mir Vergnügen und Pflicht zugleich«, erwiderte er. »Schließlich halten Sie die Mehrheit der Anteile.«
    Ryuji verbeugte sich elegant vor Kiyoko, dann stieg er wieder in die Limousine.
    Während der Wagen den kleinen Parkplatz umrundete und wieder auf die Zufahrt zurück zur Hauptstraße einbog, bemerkte Sora: »Er hat sich in dich verguckt.«
    Kiyoko runzelte die Stirn. »Er weiß, dass ich den Weg des Onmyōji gewählt habe.«
    »Dein Vater war verheiratet. Es ist nicht abwegig, dass du eines Tages auch heiraten könntest.«
    »Mein Vater hatte nicht dasselbe Schicksal wie ich, Sensei. Er befand sich auch nicht in demselben Dilemma wie ich. Wie sollte ich einen Mann heiraten können, wenn ich doch weiß, dass ich ihn bald verlassen müsste, um mich Abe no Seimei in dem großen Kampf anzuschließen? Außerdem hat Watanabe-san nichts gesagt, was sein Interesse bekunden würde.«
    Ihr Mentor nahm den Arm, den sie ihm bot. »Vielleicht nicht, aber er ist kaum von deiner Seite gewichen, seitdem Tatsu-san gestorben ist. Wenn du ihn heiratest, sicherst du dem Unternehmen eine große Zukunft.«
    Kiyoko verkniff sich eine Grimasse. Ihr Einsatz für das Überleben der väterlichen Firma war kein Geheimnis – sie hatte die vertraute Umgebung des Dōjō in der vergangenen Woche täglich verlassen, um die Firmenkonten zu kontrollieren. Dies war Soras subtile Art, die Klugheit ihrer Entscheidungen zu überprüfen. »Angesichts der gegenwärtigen Ausbreitung des Bösen gibt es keine Sicherheiten mehr.«
    Sie passierten das Tor zum Trainingsgelände und nahmen den Weg zum Haus, während sich ein auf Bodenhöhe wabernder Nebel um ihre Füße legte. Das ausladende, einstöckige Gebäude stand majestätisch auf einer Felsnase über dem Tal, und aus der Ferne grüßte der Tengu herüber. Der Ausblick suchte seinesgleichen. Kiyokos Vater hatte das Haus gleich neben dem viel älteren Dōjō errichtet, noch ehe sie geboren war. Für japanische Begriffe war das Haus groß geraten – ein Geschenk an seine junge Braut im Jahr 1975. Zu groß, weshalb Kiyoko den Sensei gebeten hatte einzuziehen, als ihr Vater vor drei Monaten gestorben war.
    Am Haupteingang wartete Kiyokos einzige Bedienstete, Umiko. Die Frau war annähernd siebzig, aber sie diente der Ashida-Familie mit aufrichtiger Ergebenheit seit über fünfzig Jahren, und sie war stolz, auch Kiyoko zu dienen. Fast als hätte ihr der Wind selbst die Nachricht von Kiyokos Ankunft zugetragen, stand sie da mit einem Tablett Reiscracker und einer Kanne grünem Tee, aus der es noch dampfte. Zweifellos war ihre Vorahnung weniger dem Wind als etwas viel Banalerem geschuldet – wie etwa dem kurzen Anruf des Chauffeurs auf der Rückfahrt –, aber Kiyoko zog einen Hauch Mysterium der Wahrheit vor.
    Umiko schob den verzierten
sh
ō
ji
-Raumteiler beiseite und stellte das Tablett auf den niedrigen Tisch im Hauptraum. Dann verbeugte sie sich und kehrte in die Küche zurück. Ihr cremefarbener Kimono raschelte leise um ihre Knöchel.
    Kiyoko kniete auf dem viereckigen Kissen vor dem Tisch nieder und hob die Kanne hoch. »Tee, Sensei?«
    Er nickte. »Wenn du so gut sein willst, erkläre mir doch bitte ganz genau, was geschehen ist, als Murdoch-san dich berührt hat.«
    Da sie die Frage erwartet hatte, war Kiyoko in der Lage, die Farbe in ihren Wangen zu kontrollieren. Aber nicht den kleinen Salto ihres Herzens. »Einen kurzen Augenblick lang spürte ich eine tiefe und innige Verbindung zu diesem Mann.«
    Soras Blick traf den ihren, als er die volle Teetasse entgegennahm. »Hast du deine eigene Energie eingesetzt, wie ich es dir beim Heilen gezeigt habe?«
    »Nein.« Sie zwang einen Schluck Tee ihre zugeschnürte Kehle hinab. Dieses Manöver hatte sie nicht mehr gewagt, seit sie über die zusammengekauerte Gestalt ihres schwerst verbrannten und dem Tode nahen Vaters in der Firmengarage gestolpert war. »Ich habe keine Energie zu verschenken. Das wissen Sie doch.«
    »Aber wie können wir uns dann die plötzliche Entfesselung des jungen Mannes erklären?«
    Kiyoko schüttelte den Kopf. »Er hatte diese Kraft bereits. Sie schlief in jeder Zelle seines Körpers. Meine Berührung hat sie nur freigesetzt, auch wenn ich nicht weiß, wie.« Das stimmte zwar, war aber nur die halbe Wahrheit. Die rauschhafte Erregung zu erklären, die Murdochs Abgleiten in die Raserei vorausging, wäre ein wenig peinlich gewesen. Winzige Schauer süßen Verlangens
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