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Yoga Bitch

Titel: Yoga Bitch
Autoren: Danijela Pilic
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von ihrem glänzenden Scheitel bis zu ihren pedikürten Zehen aus jeder Zelle »fit!« und »jugendlich!« schreit und auch so aussieht, selbst wenn man zweimal hinschaut. Trotzdem gibt es immer noch die 18-jährige Stimme in einem, die nörgelt: »Wo ist der Mann/das Kind/das Auto? Bist du nicht zu alt dafür, morgens Gummibärchen zu essen?« Man sagt der Stimme zwar: » Halt’s Maul. Du zählst nicht mehr. « Oder: » Die Dinge haben sich geändert. « Oder auch: » Lass dir gesagt sein: Die Dauerwelle 1990, die mich immer noch aus meinem Führerschein anlacht, war so falsch. « Doch die Stimme lässt sich nicht ganz zum Schweigen bringen. Grund dafür ist diese Diskrepanz zwischen der eigenen inneren, veralteten Erwartung und der äußerlichen Weigerung, kombiniert mit der unbezwingbaren Logik des Körpers, die es heute so schwer macht, fast 35 zu sein (und 17 Pfund zu viel zu wiegen). Wobei Polly immer sagte: »Man kann den Körper zwingen, der Logik des Kopfes zu folgen.« Sie erklärte ihre Disziplin auch mit der Haltung ihrer Mutter, die ihr als »Ossi-Ballerina Disziplin schon mit der Babynahrung verabreicht hatte«. Wenn man Polly ansah, so hoch gewachsen und sehnig und hell, hatte sie mit ihrer Ansicht auf eine anmutige, straffe, beeindruckende Weise recht. Aber, und es war ein großes Aber: Ich war zu faul, um so zu denken. Bis ich dieses Foto sah.
    Es kam letzten Sommer also ziemlich viel zusammen, was mir meinen Zustand nicht gerade fabelhaft erschienen ließ. Doch dann brachte das sprichwörtliche Tröpfchen das Fass zum Überlaufen: ein eingeklemmter Ischiasnerv. Im Fachjargon heißt das Lumbo-
ischialgie, wie ich von zwei vorherigen Fällen wusste, die mich außer Gefecht gesetzt hatten. Ich war so verzweifelt – über das Foto, über die 17 Pfund, über meinen Rücken, über Herrn Arschloch –, dass ich ernsthaft in Erwägung zog, eine körperliche Ertüchtigung anzufangen und sie nicht nach drei Wochen wieder abzubrechen: Sport als Rettung sozusagen. Dazu muss man wissen, dass ich mich von Kindesbeinen an nur bewegte, wenn es wirklich sein musste, und dass ich meine Zeit im Kinderwagen so lang ausdehnte, wie es mir nur möglich war. Ich tat als Kind auch häufig so, als sei ich müde, nur um getragen zu werden. Sport war mir schon immer völlig unverständlich gewesen – außer im Fernsehen, da guckte ich mir das aus sicherer Distanz gerne an. Das Gleiche tat ich mit Märchenfilmen, ohne jedoch zu erwarten, dass ich mit dem einen oder anderen Konzept in meinem wahren Leben konfrontiert würde. Schnell bewegte ich mich nur dann, wenn ich Möbeln ausweichen musste, die sich mir plötzlich in den Weg stellten, denn zu meiner Unsportlichkeit kam eine ausgeprägte Ungeschicklichkeit hinzu sowie eine 98-prozentige Links-Rechts-Verwechselungsrate. Kurz: Ich fand Bewegung widerlich und blöd, und Schwitzen, funktionelle Sportklamotten, stinkende Turnschuhe, Sport-BHs, Umkleidekabinen und Geräte, die wie Folterinstrumente aus der Zeit der Inquisition aussahen, erst recht. Und nun war es so weit: Ich wusste, dass ich es mit Sport versuchen musste, und zwar ernsthaft. Ich hatte mich so lange geweigert, wie es ging. Mein Körper verlangte nun, was ihm längst zugestanden hätte: Bewegung. Mein Rücken erpresste mich: Er forderte Sport, und ich war verzweifelt genug, auf die Forderung einzugehen, ohne die Polizei einzuschalten.
    »Oh nein, du Arme. Wie hast du denn das gemacht?«, fragte Alev.
    »Beim Tanzen gestern. Omi kann nicht mehr.«
    »Omi trug sicher mindestens Sieben-Zentimeter-Absätze und hatte zwei Wodka zu viel intus«.
    »Neun Zentimeter und drei Wodka zu viel«, korrigierte ich. »Gott sei Dank war Sophie dabei, sie hat mich hinten quer ins Taxi gelegt und dann ins Bett gebracht. Ich konnte mich gar nicht mehr rühren.«
    »Und jetzt?«
    »So wie die letzten beiden Male. Heute früh zehn Spritzen, und ab nächster Woche ein paar Wochen Hardcore-Physiotherapie. Oh Gott, diese Mischung aus Langeweile und Schmerz! Und weißt du, welcher Satz garantiert fallen wird?«, fragte ich.
    »Welcher?«
    »Du musst was für deinen Rücken tun.«
    »Ich weiß«, sagte sie kleinlaut.
    »Nein, nicht du . Dieser Satz wird in meiner Physiotherapie fallen.«
    »Ach so. Ich fühle mich aber auch angesprochen. Ich muss was für deinen Rücken tun«, sagte Alev und lachte mit ihrem typischen Grunzen. Und dann schwieg sie lange und sagte schließlich: »Warum probieren wir nicht mal Yoga?«
    Shit. Dabei hatte ich
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