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Yoga Bitch

Titel: Yoga Bitch
Autoren: Danijela Pilic
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einem jungen Mann. (Nennen wir ihn Herrn Arschloch.) Nach dem endgültigen Ende unserer Beziehung, das eigentlich schon bei einem der früheren Offs hätte stattfinden sollen, entdeckte ich zum wiederholten Mal und zum Leidwesen meiner Waage, dass ich nicht zu den Frauen gehöre, denen Liebeskummer auf den Magen schlägt. Im Gegenteil: Ich gehöre zu denjenigen, die als Neu-Single Pizza mit Chicken Wings und Pommes bestellen, zu viele Cocktails trinken und Eiscreme direkt aus der Literdose löffeln, denn wenn man etwas aus RomComs gelernt hat, dann ist es, dass man Eiscreme eben so essen darf, wenn das Herz schmerzt. (Wobei gar nicht wirklich das Herz schmerzte, sondern eher die Enttäuschung, dass eine weitere Beziehung nicht geklappt hatte und ich so dumm war, das mangelnde Potenzial nicht gleich am Anfang erkannt zu haben, um so schnell wie möglich »Weiter, der Nächste« sagen zu können. Das Gefühl der verlorenen Zeit schmerzt ab 30 besonders, und die Kalorien, die zur Liebeskummerlinderung aufgenommen werden, lassen sich immer schwieriger verbrennen. Verdammt.)
    Ich löffelte also Eiscreme und bestellte Familienpizzen und freute mich über die wallenden Maxikleider und die Hosen mit Stretch-anteil, die ich immer öfter unter dem Deckmantel der Hipness aus dem Schrank zog. In dieser Zeit stieg ich nicht auf die Waage; das tat ich auch sonst höchstens zweimal im Jahr, auf einer alten Waage mit Zeiger. Die Digitaldinger waren mir unheimlich. Was, wenn die klemmen? Jedenfalls erschien mir Wiegen irgendwie altmodisch und immer unnötig stressig. (Eine Devise übrigens, die nur Menschen haben, die zufrieden mit ihrer Figur sind. »Hach, keine Ahnung, wie viel ich wiege!« Das hört sich so lässig an, fast schon zu lässig. Und deshalb bin ich immer auf der Hut, wenn ich es höre. In jahrzehntelanger Forschungsarbeit mit meinem weiblichen Umfeld habe ich Folgendes herausgefunden: Nur weil eine Frau diesen Satz sagt, muss er noch lange nicht stimmen. Wenn er aber tatsächlich der Wahrheit entspricht, hat man ein Exemplar vor sich, das einen gesunden Menschenverstand, ein nicht neurotisches Körperbewusstsein und ein ziemlich ideales Gewicht vorweisen kann – eine Kombination, die so gut wie nie vorkommt.)
    Der plötzliche Schreck über meine Figur überkam mich in einer Sekunde, die nichts mit einer Waage oder einem Spiegel zu tun hatte, sondern mit einem Foto. Solch ein Erlebnis ist gar nicht so selten: Die ganzen Erfahrungsberichte von Menschen, die unfassbar viel abgenommen haben, beginnen meist mit der Horrorstory eines hundsgemeinen Fotos, auf dem sie den Wal, der darauf zu sehen war, als sich selbst erkannten. Das ist nicht weiter überraschend im Zeitalter des Foto-und Dokumentier-Terrorismus, in dem jeder Idiot eine Digitalkamera oder ein Fotohandy hat und zu viel Speicherplatz, auf dem er unvorteilhafte Bilder anderer Menschen sammelt. Klick: Es war eine Kamera, die mir die Konsequenzen meiner Löffelei mit der Wucht eines Tornados um die Ohren haute. Das Foto war ein paar Wochen zuvor auf einer Hochzeit aufgenommen worden, und ich wurde auf einem der sozialen Netzwerke getagged [1] : ein moderner Albtraum.
    Ich sah schrecklich aus: eindeutig zu dick (die 10-Kamera-Kilos schon abgezogen). Irgendwie aufgedunsen. Meine Arme waren untrainiert, und zwischen meinem Arm und dem Ansatz meiner Brust quoll eine Fleischwurst hervor, von deren Existenz ich ebenso überrascht wie erschrocken war. Meine Zähne wirkten gelblich, und ein Zahn saß schiefer als der Hut der Brautmutter. Außerdem waren da, wenn man zoomte, einige Mimikfältchen (um genauer zu sein: Krähenfüße) sowie Nasolabialfalten zu sehen. Gut, ich lachte auf dem Foto, und ohne Zoom waren die Falten kaum zu erkennen, aber ich zoome eben gern. Der Anblick wäre erschreckend gewesen, selbst wenn ich in einer guten Grundverfassung gewesen wäre. Weil die Brautleute entzückende Personen mit vielen Freunden waren, sahen dieses Foto, auch nachdem ich mich enttagged hatte, wahrscheinlich ein paar hundert Menschen. Im Jahr 2010 stehen nicht nur Supermodels unter Druck, auf Fotos gut auszusehen.
    Meine Grundverfassung war aber nicht nur wegen Herrn Arschloch, der 17 Pfund und des Fotos schlecht. Die Wahrheit war, dass ich seit geraumer Zeit nachts in kaltem Schweiß gebadet aufwachte mit nur einem präzisen Gedanken: Du wirst alt. Oh Gott!
    »Ganz normal, das passiert mir schon länger«, sagte Polly, als ich ihr davon erzählte. »Im ersten Augenblick
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