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Yendi

Yendi

Titel: Yendi
Autoren: Steven Brust
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umgebracht wird.
    Der alte Mann ist fast kahl, nur ein Kranz weißer Haare steht noch. Groß ist er, und stattlich, dabei sind seine Finger jedoch noch immer gelenkig genug am Rapier, um einem Jüngeren einen guten Kampf zu liefern und jedem Dragaeraner, der den Fechtstil der Ostländer nicht kennt, die Zauberei aus dem Leib zu schrecken.
    Er lebt im Ostländerghetto im Süden Adrilankhas. Seinen Lebensunterhalt bestreitet er schlecht und recht als Hexenmeister, weil er sich weigert, sich von seinem Enkel unterstützen zu lassen. Er macht sich Sorgen um diesen Enkel, zeigt es aber nicht. Gerne hilft er, doch will er sein Leben nicht durch seine Kinder leben, und schon gar nicht ihres für sie. Als einer seiner Söhne sich in einen nachgemachten Dragaeraner verwandeln wollte, wurde er traurig und fand, diesem Sohn stünde zweifellos nur Enttäuschung bevor, doch sprach er nie ein tadelndes Wort.
    Ich ging diesen alten Herrn einen Tag nach Laris’ Tod besuchen. Das Laufen durch den Schmutz der Straßen machte mich krank, doch ich verbarg es. Schließlich wissen wir doch alle, daß Ostländer schmutzig sind, oder? Man muß sich nur mal ansehen, wie die hausen. Egal, daß sie keine Zauberei benutzen können, um die Straßen sauberzuhalten, so wie die Dragaeraner es tun. Wenn sie Zauberei verwenden wollen, können sie doch Bürger des Imperiums werden, indem sie aufs Land ziehen und Teckla werden oder einen Titel im Jhereg erwerben. Wie, sie wollen nicht dienen? Auch noch sturköpfig, was? Sie haben kein Geld, um Titel zu erwerben? Natürlich nicht! Wer würde denen schon eine anständige Arbeit geben, so dreckig wie die sind?
    Ich versuchte, mich davon nicht herunterziehen zu lassen. Cawti versuchte es auch, aber ich sah an ihren Augen, wie sie sich anstrengen mußte, und ich spürte es in ihrem Gang. Eigentlich hätte es mich freuen sollen, wieder hierher zu kommen – ein erfolgreicher Ostländerjunge besucht die Umgebung, aus der er stammt. Das hätte es, aber so war es nicht. Mir war nur schlecht.
    Über dem Geschäft meines Großvaters hing kein Schild, und nichts lag im Schaufenster. Jeder aus der Nachbarschaft wußte, wer er war und was er tat, und er kümmerte sich nicht um die von außerhalb. Die Dragaeraner hatten mit der Hexerei aufgehört, als das Interregnum zu Ende war und die Zauberkraft wieder funktionierte.
    Als ich durch den Türbogen ging (keine Tür), strich mein Kopf gegen ein paar kleine Glocken und ließ sie erklingen. Er stand mit dem Rücken zu mir, doch ich sah, daß er Kerzen machte. Dann drehte er sich um, und sein Gesicht erstrahlte in einem fast zahnlosen Grinsen.
    »Vladimir!« sagte er. Er schaute mich an, lächelte Cawti zu und musterte mich erneut. Wir konnten psionisch miteinander kommunizieren (er hatte es mir beigebracht), aber er weigerte sich, es zu tun, wenn es nicht notwendig war. Psionische Kommunikation ist ihm zu wertvoll, als daß er sie beiläufig verwendet – obwohl er, wie es seine Art ist, mich nie für meinen Umgang damit tadelt. Deshalb machen wir, wenn wir uns unterhalten wollen, jedesmal eine kleine Reise. Und da wir dabei Gegenden durchqueren müssen, in denen ein Ostländer allein in Gefahr ist, und er sich weigert, einen Teleport in Anspruch zu nehmen, verläßt er seine Umgebung selten.
    »Vladimir«, sagte er noch einmal. »Und wer ist das?«
    Loiosh flog herbei, als hätte die Frage ihm gegolten, und glücklich genoß er ein paar Krauler am Hals.
    »Noish-pa«, antwortete ich, »ich möchte, daß du Cawti kennenlernst.«
    Sie knickste vor ihm, und er strahlte über das ganze Gesicht.
    »Cawti«, meinte er. »Hast du einen Familiennamen?«
    »Nicht mehr«, antwortete sie. Ich biß mir auf die Lippe. Eines Tages würde ich sie fragen, was das zu bedeuten hatte, aber nicht jetzt.
    Er bedachte sie mit einem freundlichen Lächeln, dann sah er mich mit einem Zwinkern in den Augen an, und eine dünne weiße Braue zog sich auf der breiten Stirne hoch.
    »Wir möchten gern heiraten«, sagte ich. »Wir wollen deinen Segen.«
    Er kam auf uns zu und umarmte sie, dann küßte er sie auf die Wangen. Danach umarmte er mich. Als er zurücktrat, konnte ich Tränen in seinen Augen erkennen.
    »Ich freue mich für euch«, sagte er. Dann runzelte er kurz die Stirn, aber ich wußte, was er fragen wollte.
    »Sie weiß Bescheid«, sagte ich. »Sie arbeitet in derselben Branche.«
    Er seufzte. »Ach, Vladimir, Vladimir. Sei vorsichtig.«
    »Das bin ich, Noish-pa. Es sieht besser für
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