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Yeager

Yeager

Titel: Yeager
Autoren: C.J. Cherryh
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letzten Bissen schlecht geworden war und sie es sich nicht leisten konnte, das bißchen Nahrung zu verlieren, das sie im Magen hatte. Aber sie versuchte es, immer nur eine Krume, wartete, bis sie sich auf der Zunge aufgelöst hatte, und schluckte sie trotz der widerlichen Süßigkeit hinunter.
    Das hast du mal wieder sehr schlau angefangen, Bet.
    Diesmal sitzt du so richtig in der Scheiße.
    Auf Pell hatte sie sich schon einmal so versteckt. Auf Pell war sie einmal beinahe ebenso verzweifelt gewesen. Es war schwer, einen Tag von dem anderen zu unterscheiden, wenn es so schlimm wurde. Irgendwie lebte man weiter, das war alles.
    Irgendwie hielt man es durch, an diesem schmutzigen Ort, saß auf einem eiskalten Fußboden im Klo und versuchte, die Eingeweide zusammenzuhalten. Aber mit immer einem kleinen Bissen hielt man das Essen unten und sich selbst am Leben, auch wenn man bis auf eine Waffel in der Tasche und die Hoffnung auf einen Job für einen Cred pro Tag heruntergekommen war. Für einen Cred bekam man ein Käse-Sandwich.
    Ein Cred verschaffte einem einen Fischkuchen und einen Becher Synth-Orange. Man konnte davon leben, und man mußte diese Nacht überleben, um den Cred zu bekommen, das war alles.
    Bet hatte gestern aufgehört zu glauben, einfach aufgehört. Sie war nur ins Stellenvermittlungsbüro gegangen, weil die Wartung die Löcher ab und zu überprüfte, weil sie dort im Warmen war und weil sie damit bewies, daß sie immer noch nach Arbeit suchte, für eine nicht registrierte Einwohnerin die einzige Möglichkeit, den legalen Status zu behalten. Und vor allem behielt sie ihren Platz oben auf der Liste, wenn der erwartete Frachter irgendeinen Job zu vergeben hatte. Darauf zu hoffen war eine gute Art zu sterben, zu tun, was sie nach eigener Wahl tat, zu erstreben, was ihrer Meinung nach allein erstrebenswert war.
    Eine gute Art zu sterben. Sie hatte die schlechten Arten gesehen.
    Und wenn es zu schlimm wurde, gab es einen Ausweg, und wenn das Gesetz sie erwischte, gab es Möglichkeiten, das Hospital zu vermeiden. Sie trug eine in der Tasche. Sie war schon so weit, daß sie über das »Wann« nachdachte, aber sie wollte es noch nicht gleich tun. Sie wußte nur, wenn sie das Bewußtsein verlor und Leute den Rettungsdienst riefen, konnte sie es tun, oder wenn man sie verurteilte, ihre Schulden gegenüber der Station zu bezahlen – dann konnte sie es immer noch tun. Einfach abhauen, dem Gericht ein Schnippchen schlagen.
    Und jetzt bekam sie eine kleine zusätzliche Chance. Sie hatte also recht daran getan, bis jetzt durchzuhalten. Es mochte sich noch herausstellen, daß alles, was sie bisher getan hatte, auch richtig gewesen war. Sie konnte nur gewinnen. Dem Schiff nächste Woche konnte eine Arbeitskraft fehlen. Das war immerhin möglich.
    So saß Bet im Schatten des Waschbeckens, bis eine ganze Waffel unten angekommen war, und dann sagte sie sich, daß sie sich bewegen müsse, weil ihre Beine und ihr Hintern taub wurden. Sie zog sich an dem Becken hoch und brachte noch etwas von dem metallisch schmeckenden Wasser in ihren Magen. Dann ging sie in eine der Kabinen, setzte sich, die Arme auf den Knien und den Kopf auf den Armen, und versuchte, sich auszuruhen und ein bißchen zu schlafen, denn das war der wärmste Platz, die Wände der Kabine hielten die Zugluft ab, die überall sonst zu spüren war, und gute Manieren hinderten die Leute daran, Fragen zu stellen.
    Zwei Frauen kamen herein, noch spät unterwegs, wahrscheinlich Dock-Instandhaltung. Bet hörte das Stimmengemurmel, die Flüche, die Diskussion über irgendeinen Mann in der Crew, auf den sie ein Auge geworfen hatten. Es klang, als seien sie betrunken. Sie gingen weg. Das war der einzige Publikumsverkehr, und Bet döste, nickte ein, malte sich aus, daß sie morgen abend an eine Verkaufsmaschine gehen und diesen einen Cred in einen Schlitz stecken und eine Dose heiße Suppe haben konnte… um damit anzufangen. Sie besaß Erfahrung mit dem Hunger. Halte dich an Flüssigkeiten, wenn du das erstemal wieder etwas zu essen bekommst, nimm immer nur ein bißchen, nichts Fettes. Ihr Magen mühte sich mit der aufgelösten Waffel und dem Drittel eines Bechers Coca ab und wußte nicht recht, wie er damit fertigwerden sollte.
    Auf den Docks draußen wurde es stiller, es gab weniger Maschinenlärm, weniger Transporte. Auf Thule war es kaum der Mühe wert, am Schichttag wachzubleiben. Kaum eins der Büros hatte geöffnet, es kamen keine Schiffe, die das nötig gemacht
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