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Xperten 1.2 - Der Mindcaller

Xperten 1.2 - Der Mindcaller

Titel: Xperten 1.2 - Der Mindcaller
Autoren: Hermann Maurer
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‚Kapakapa‘ die Übersetzung für einen Halsschmuck in Kettenform ist. Es ist das erste Mal, dass sie Trauer darüber empfindet, viele Maori Worte seit ihrer Kindheit vergessen zu haben. Als Ausgleich beschließt sie, ihren Anhänger in Zukunft für sich nur mehr Kapakapa zu nennen.
    [9] Maoris werden immer so begraben, dass ihre Gräber zu einer Wasserfläche schauen, damit die Seelen der Toten in der Nacht zum Wasser gehen können.
    Aber sie zeigt ihr Kapakapa niemanden.
    Aroha kehrt an vielen Sonntagnachmittagen zum verborgenen Tal zurück, auch um dem Gefühl der Einsamkeit, das sie oft in der Stadt empfindet durch ihre Welt hier, in die sie immer wieder gerne eintaucht, zu entgehen. Sie liebt es auf der Lichtung oberhalb des Tales auf dem Bauch zu liegen und nach Westen auf das Meer hinauszusehen. Sie kann die hereinrollenden Brecher lange beobachten, das allmähliche Anwachsen der Flut oder das Zurückweichen des Wassers, das hunderte Vögel jedes Mal kreischend begrüßen, weil sie im nassen Sand und in verbleibenden Wassertümpeln kleine Meerestiere und unvorsichtige Fischchen als willkommene Nahrung finden.
    Das fallweise Auftauchen von Menschen am weit unten liegenden Strand betrachtet Aroha als Störung: Sie zieht es vor, sich mit ihren eigenen Gestalten zu umgeben und beginnt, alles Lebendige um sie herum als liebe Freunde zu betrachten: den alten schläfrigen Großvater Rimu 10 -Baum, der sich gelassen am Rande der Lichtung sonnt und sich durch nichts aus der Ruhe bringen lässt, die jungen Kowhai 11 Bäume, auf denen meist zwei Tuis sitzen, die sie regelmäßig mit ihrem Gesang begrüßen, mit einem Gesang der nie gleich klingt und die gelben Schmetterlinge, die ihr wie goldene Feen vorkommen, die von den Wiesenblumen kosten. Sie liebt die Waldtauben, die liebevoll ihr Nest in einem alten Karaka-Baum bauen und auch andere Vögel, wie die Grauen Grasmücken, die sich von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang über das Tal hinweg ununterbrochen melodisch zurufen. Einmal, Aroha ist fast sicher, sieht sie auch einen Takahe 12 !
    Zu ihren besten Freunden gehören aber zwei Fantails 13 , jene kleinen Vögel, die oft kilometerweit mit Menschen mitfliegen um winzige Insekten zu fressen, die die Menschen durch ihre Bewegung aufstöbern. So hat Aroha auf ihren Spaziergängen immer zwei kleine Freunde, die mitfliegen. Und nach einigen Wochen ist sich Aroha sicher, dass es immer dieselben sind.
    [10] Rimu ist ein Baum aus hellem, harten Holz, der große knorrige Äste entwickelt, die den Eindruck von Alter noch verstärken.
    [11] Kowhai Bäume sind schlanke, zart gewachsene Bäume mit hängenden gelben Blüten, die von den Tuis auch als Nahrung verwendet werden.
    [12] Der Takahe ist ein Vogel, der wie der Kiwi nicht fliegen kann. Er hat einen hellroten Schnabel und ist (weil er seine Eier am Boden legt, wo sie durch kleine Säugetiere wie Marder oder Ratten gefährdet sind) vom Aussterben bedroht.

    Aber Aroha beschäftigt sich auch mit Pflanzen, Büschen und Beeren, denkt an das Wissen, das ihr ihre Großmutter vermittelte. Sie erinnert sich beispielsweise an die orange-roten Beeren des Karaka Baumes, die man wochenlang wässern muss, bevor sie ihr Gift verlieren oder an spezielle Disteln, deren Boden man essen 14 kann.
    An klaren Abenden sitzt Aroha oft an jener Seite der Lichtung, von der aus man das Meer am besten beobachten kann. Sie wartet dann gespannt, ob es wieder zum »grünen Leuchten« über dem Meer kommen wird. Obwohl sie die physikalischen Gesetze kennt, die dieses Phänomen auslösen, ist sie immer wieder davon überrascht und fühlt sich glücklich, wenn sie es erlebt. Die Tatsache, dass die Reflexion der Lichtstrahlen von der Dichte der Luft abhängt, entzaubert den Vorgang in keiner Weise. In den letzten Augenblicken, in denen die Sonne im Meer zu versinken scheint, verfärbt sie sich manchmal von Rot zu Orange, zu Gelb und dann ganz plötzlich - und nur für einen Augenblick - in intensives, strahlendes Hellgrün. Dann verschwindet sie und es wird dunkel und ruhig.
    An manchen Abenden zündet Aroha ein Feuer in der Mitte der Lichtung an und schläft im Freien in einem Schlafsack. In den klaren Nächten, in denen sie weg von den Lichtern der Stadt liegt, werden auch die Sterne zu ihren Freunden. Sie kann viele benennen: die Zeigersterne, die auf das Kreuz des Südens hinweisen, Orion, Leo, Pegasus, Andromeda ...
    [13] Der englische Ausdruck »Fantail« passt besser als der deutsche
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