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Wyrm

Wyrm

Titel: Wyrm
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Schritt näher und stützte sich schwer mit beiden Händen auf die Motorhaube. Seine Finger hinterließen blutige Abdrücke darauf, und sein zerstörtes Gesicht war Coppelstone jetzt so nahe, dass er erneut aufstöhnte.
    »Was haben Sie getan, Sie Unseliger?!«, schrie Reeves. »Sie haben alles zerstört! Sie haben das Werk zahlloser Generationen zunichtegemacht! Jetzt ist er frei! Er wird alles vernichten, was sich ihm in den Weg stellt! Ich verfluche Sie, hören Sie? Alle nachfolgenden Generationen werden auf Ihren Namen spucken, wenn sie ihn aussprechen!«
    Coppelstone wimmerte. Er verstand nicht, wovon Reeves sprach. Er hörte die Worte, aber er war nicht in der Lage, ihren Sinn zu begreifen. Er konnte nur dieses Gesicht anstarren, dieses grauenhafte zerstörte Gesicht, das sich über die Motorhaube beugte und ihm sinnlose Worte zuschrie.
    »Nein!«, wimmerte er. »Gehen Sie weg! So gehen Sie doch weg!«
    »Er ist frei!«, brüllte Reeves. »Verstehen Sie? Frei! Nichts kann ihn jetzt noch aufhalten! Und es ist allein Ihre Schuld!«
    » Gehen Sie! «, kreischte Coppelstone. Er hatte das Gefühl, dass sich hinter seiner Stirn ein immer stärker werdender, immer unerträglicherer Druck aufbaute. » So gehen Sie doch endlich!!! «
    »Er wird über uns alle kommen wie der Zorn Gottes!«, brüllte Reeves. »Eine Kreatur, tausendmal schlimmer als Ihre schlimmsten Albträume!«
    Coppelstone fuhr los. Er schrie auf wie in Agonie und trat das Gaspedal bis zum Boden durch. Der Ford machte einen Satz, begrub Reeves unter sich und rumpelte über ihn hinweg. Der Wagen schlingerte immer heftiger. Das Lenkrad schlug unter seinen Händen hin und her, der Ford prallte mit dem Heck gegen einen Baum und schlitterte Funken sprühend auf die Straße zurück. Coppelstone registrierte es nicht einmal. Er schrie noch immer aus Leibeskräften, und sein Fuß drückte das Gaspedal noch immer bis zum Boden durch. Der Motor heulte schrill, und sein Geräusch klang nun tatsächlich weitaus härter. Unter der Motorhaube quoll grauer Dampf hervor. Coppelstone bemerkte nichts von alledem. Er schrie, klammerte sich mit beiden Händen ans Lenkrad und versuchte den Wagen irgendwie auf der Straße zu halten. Er hatte sich an der Grenze zwischen Wahnsinn und Normalität verfangen und sie für einen kurzen Moment vielleicht sogar überschritten. Er schrie, bis seine Stimme versagte, und er fuhr immer schneller und schneller. Der Wagen kam immer wieder von der Straße ab, prallte gegen Hindernisse und walzte durch Büsche. Der Motor klang nun schrill und misstönend. Ein metallisches Kreischen begleitete sein Geräusch, das mit jeder Sekunde lauter wurde. Der Motor würde in wenigen Augenblicken den Geist aufgeben, doch das war ihm gleich. Er wollte nur weg. Weg aus diesem Wald, weg aus dieser Dimension des Irrsinns, nur weg, weg, weg. Wenn er die Straße erreichte, dann war er in Sicherheit, denn sie war ein Teil jener Welt, die er kannte, der Welt des Normalen und Begreifbaren, der Dinge, die man anfassen und vor allem verstehen konnte.
    Er lenkte den Wagen um die letzte Biegung. Hundert Yards über ihm lag die Straße.
    Doch er konnte sie nicht erkennen.
    Der Weg war nicht mehr leer. Unmittelbar vor ihm lag eine gigantische fahle Kreatur, die ihn aus einem augenlosen Gesicht anstarrte.
    In Farbe und Aussehen glich sie den Würmern, die Coppelstone schon zur Genüge zu Gesicht bekommen hatte, aber ihre Größe war unvorstellbar. Coppelstone vermochte ihre Länge nicht einmal zu schätzen, doch sie füllte den Waldweg vor ihm zur Gänze aus. Auch sie war verletzt. Ihre totenbleiche Haut war mit großen, schwärenden Wunden und Verbrennungen übersät, aus denen eine wasserklare Flüssigkeit quoll, unter der der Boden zu dampfen begann. Doch die Kreatur war so gigantisch, dass selbst diese grässlichen Verletzungen keine ernsthafte Gefahr für sie darstellen konnten.
    Und endlich begriff Coppelstone, wovon Reeves gesprochen hatte. Er begriff auch noch mehr, nämlich, was ihn die ganze Zeit über an dieser Straße gestört hatte, ohne dass er dieses Gefühl bisher hatte in Worte fassen können, der Straße, die so sehr den anderen Wurmspuren glich, nur so unvorstellbar viel breiter war. Und nun wusste er auch, was in dem Erdwall rings um Morrisons Farm verborgen gewesen war.
    All dieses Wissen nutzte ihm jedoch nichts mehr.
    Coppelstone schrie vor nacktem Entsetzen und schierem Grauen auf, trat mit aller Gewalt auf das Gaspedal, obwohl sein Fuß es ja
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