Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln
Autoren: Alex Haley
Vom Netzwerk:
Meinung.
    »Siehst du?« sagte das Krokodil wieder. Dann kam ein fettes Karnickel, das sagte: »Ja, wenn ich dazu etwas sagen soll, muß ich wissen, wie ihr in diese Lage gekommen seid.«
    Das Krokodil klappte das Maul auf, um dem Karnickel zu erzählen, wie alles gekommen war, und der kleine Junge sprang heraus.
    »Magst du Krokodilfleisch?« fragte das Karnickel. Der Kleine nickte. »Und deine Eltern auch?« Wieder nickte der Junge. »Dann hast du hier ein Krokodil, fertig für den Kochtopf.«
    Der Junge lief weg und kam mit den Männern vom Dorf zurück, die das Krokodil töteten. Mit ihnen kam aber auch ein wuolo -Hund, und der jagte und erlegte das Karnickel.
    Dazu sagte Nyo Boto: »Das Krokodil hatte also recht. In dieser Welt wird oftmals Gutes mit Bösem vergolten. Und darum habe ich euch diese Geschichte erzählt.«
    »Gesegnet seist du, Allah gebe dir Gesundheit und Reichtum«, dankten ihr die Kinder. Die anderen Großmütter traktierten anschließend die Kinder mit frisch gebratenen Käfern und Grashüpfern. Zu einer anderen Jahreszeit wären das nur Leckereien gewesen, jetzt aber, am Vorabend der großen Regen, zu Beginn der Hungerzeit, mußten die gerösteten Insekten ein richtiges Mahl ersetzen, denn die meisten Speicher enthielten nur noch Hände voll Mais und Reis.

Kapitel 4
    Jetzt regnete es beinahe jeden Morgen, kurze, erfrischende Schauer, und zwischendurch rannten Kunta und seine Spielgefährten aufgeregt zwischen den Pfützen umher. »Meiner! Meiner!« schrien sie und meinten die bunten Regenbögen, die, wie es schien, ganz nahe aufgespannt waren. Die Schauer brachten aber auch ganze Schwärme fliegender Insekten, deren Bisse und Stiche die Kinder in die Hütten zurückscheuchten.
    Dann, ganz plötzlich, begann eines Nachts der große Regen, und nun kauerten die Menschen frierend in ihren Hütten und lauschten dem Wasser, das auf die Flechtdächer prasselte, sahen den zuckenden Blitzen zu, fürchteten sich vor dem Donner, der die Dunkelheit erfüllte. Über dem Regen war nur das Bellen der Schakale zu vernehmen, das Heulen der Hyänen und das Quaken der Frösche.
    Es regnete nun Nacht auf Nacht und immer nur nachts. Die Niederungen am Fluß standen unter Wasser, die Felder wurden zum Sumpf, das Dorf zu einem Schlammloch. Doch allmorgendlich schleppten sich alle Männer von Juffure durch den Matsch zum Gebetsplatz und flehten Allah um noch mehr Regen an, denn das Leben hing daran, daß die Erde sich mit genügend Wasser vollsog, bevor die Sonne wiederkehrte, die alle Pflanzen verdorren ließ, deren Wurzeln nicht genug Wasser fanden.
    In der feuchten Kinderhütte, die nur schwach erleuchtet und geheizt wurde von trockenen Zweigen und Kuhfladen, die in dem Feuerloch auf dem Lehmboden schwelten, erzählte die alte Nyo Boto den Kindern von der schrecklichen Zeit, als die großen Regen ausgeblieben waren. Die Zeiten mochten so schlecht sein, wie sie wollten, Nyo Boto hatte allemal schon schlimmere erlebt. Sie erzählte, wie schon nach nur zwei Regentagen die Sonne wiedergekommen war und wie alles, was im Boden stak, vertrocknete, obwohl die Dorfbewohner inbrünstig zu Allah beteten, die alten Regentänze tanzten und täglich ein Rind und zwei Geißen opferten. Sogar die Wasserlöcher im Wald waren vertrocknet, und die Tiere kamen, ganz toll vor Durst, an den Dorfbrunnen. Tausende von Sternen schienen in den kristallklaren Nächten, es blies ein kalter Wind, mehr und mehr Menschen wurden krank. Ohne Zweifel gingen in Juffure böse Geister um.
    Wer sich noch auf den Beinen halten konnte, tanzte um Regen und betete, und schließlich wurde das letzte Rind geopfert, die letzte Ziege. Es war, als hätte Allah dem Dorf Juffure den Rücken gekehrt. Die Alten und Schwachen und Kranken starben weg. Andere suchten ihr Heil anderswo, sie verließen das Dorf, sie baten, als Sklaven bei Leuten dienen zu dürfen, die zu essen hatten, und wer daheim blieb, verlor den Mut und legte sich. Damals, so sagte Nyo Boto, habe Allah den Schritt des marabout Kairaba Kunta Kinte in das hungernde Dorf Juffure gelenkt. Als dieser die Not der Bewohner gesehen habe, sei er niedergekniet und habe zu Allah gebetet, und das fünf Tage lang, fast ohne zu essen und zu trinken. Am Abend des fünften Tages dann sei der große Regen gekommen wie eine Flut und habe Juffure gerettet.
    Als die Geschichte zu Ende war, sahen die Kinder Kunta, der den Namen des hervorragenden Großvaters trug, des Mannes von Großmutter Yaisa, mit besonderer
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher