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Wuppertod

Wuppertod

Titel: Wuppertod
Autoren: Andreas Schmidt
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die Nachrichten und
ausgerechnet in dieser Nacht passiert etwas.« Sie
schüttelte den blonden Bubikopf. »Ausgerechnet so
etwas!«
    »Ah«,
entfuhr es Stefan Seiler. Er nickte verständnisvoll.
»Ich kapiere: Es wurmt dich, dass du an deinen Schreibtisch
gefesselt bist und nicht losziehen kannst, um vor Ort zu recherchieren.«
Er lächelte. Heike liebte es, heiße Geschichten direkt
an Ort und Stelle auszugraben.
    »Eben«,
nickte Heike und erhob sich seufzend. »Ich bin sicher, dass
sich Kommissar Verdammt hoch erfreut die Hände reibt, weil ich
diesmal nicht am Ball bin.«
    Kommissar Verdammt
hieß eigentlich Norbert Ulbricht. Er war Kommissar bei der
Wuppertaler Mordkommission und hatte bereits öfters - mehr
oder weniger freiwillig - mit den Reportern der Wupperwelle
zusammengearbeitet. Den Spitznamen hatte Ulbricht sich in
Journalistenkreisen eingefangen, weil jedes zweite Wort aus seinem
Mund »verdammt« war.
    »Und -
Heike?!«
    Sie wandte sich in der
offenen Studiotür zu ihm um. »Stefan?«
    »Versuch mal, ob
du jemanden von seinem Management erreichst.«
    »Von …
von Kommissar Verdammts Management?« Sie legte die Stirn in
Falten und musterte Stefan wie einen Geisteskranken. »Hat der
jetzt schon einen eigenen Manager?«
    »Unsinn«,
lachte er. »Heigers Management. Sein Agent, der ihm die Reise
nach Wuppertal organisiert hat. Vielleicht gibt es so was wie eine
offizielle Pressemitteilung.«
    »Klar«,
nickte Heike. »Das hatte ich gerade vor.«
    Damit war sie aus dem
Studio verschwunden und begann an ihrem Schreibtisch in der
Nachrichtenredaktion mit der Arbeit. Stefan erwischte sich dabei,
wie er ihr mit einem Lächeln auf den Lippen
nachblickte.
    * * *
    Kommissar Ulbricht
rieb sich die Hände. Er rauchte. Mal wieder viel zu viel.
Schon vor Monaten hatte er sich das Rauchen abgewöhnen wollen.
Vergeblich. Und noch etwas nervte ihn: Er fror.
    Seine Laune war auf
dem Tiefpunkt angelangt und die Zigarettenschachtel war auch schon
wieder leer. Norbert Ulbricht knüllte die Schachtel zusammen
und warf sie seufzend in den Fußraum des Fonds. Er
schüttelte den Kopf.
    »Warum immer
ich?«, fragte Ulbricht sich halblaut und drückte die
Kippe im Aschenbecher des Opel Omega aus. Er hockte vornüber
gebeugt im Beifahrersitz seines Dienstwagens und starrte durch die
Windschutzscheibe hinaus in die Nacht an der Wesendonkstraße.
Jupp Bock lief wie ein aufgescheuchtes Huhn zwischen den
uniformierten Kollegen herum und stand mehr im Weg herum, als dass
er half. Er war eine Witzfigur - doch er war da, um Ulbricht zu
unterstützen. Norbert Ulbricht schüttelte gelangweilt den
Kopf. Aus dem Jungen würde nie etwas
werden.         
    Zahlreiche
Streifenwagen waren auf der Bildfläche erschienen und hatten
das Viertel großräumig abgesperrt. Blaulicht geisterte
unwirklich durch die Nacht. Es war still geworden in der
Straße - zu still für diese Gegend, wo sich oft
lichtscheues Gesindel herumtrieb. Das Erscheinen der Polizei hatte
einige Gestalten dazu bewegt, lieber das Feld zu räumen. Ab
und zu hörte man verzerrte Stimmen aus den Funkgeräten
der Polizisten.
    Der Leichenwagen mit
dem toten Tim Heiger war eben abgefahren und eigentlich gab es hier
für Ulbricht nichts mehr zu tun. Die Jungs von der
Spurensicherung machten ihre Arbeit. Uniformierte Polizisten nahmen
die Zeugenaussagen auf. Dennoch blieb Ulbricht am Tatort. Er
hoffte, dass es wenigstens eine heiße Spur gab. Doch nichts
dergleichen zeichnete sich ab. Er hasste so etwas. Und es war eine
Frage der Zeit, wann die ersten Journalisten hier auftauchten.
Diesmal hatte er die Kollegen angewiesen, niemanden durchzulassen.
Und neugierige Reporter schon mal gar nicht.
    Mit einem Laut des
Selbstbedauerns auf den Lippen erhob er sich schwerfällig aus
dem Sitz und winkte seinen Assistenten heran. »Kommen Sie
her, Bock«, rief er ihn herbei.
    Jupp Bock war Anfang
dreißig, dunkelblond und hatte eine blasse, fast
wächserne Haut. Der Junge hatte sich vermutlich noch nie dem
Sonnenlicht ausgesetzt, durchzuckte es Ulbricht. Woher sein Vorname
stammte, wusste im Präsidium kein Mensch. Vermutlich ein
Spitzname, als Abkürzung von Josef.
    »Was gibt es
Neues?«, fragte Ulbricht und versenkte die Hände in den
Taschen seines ungebügelten Trenchcoats. Mit den ausgetretenen
Hush Puppies und den verwaschenen Bundfaltenjeans aus den
Achtzigern wirkte er wie Inspektor Columbo. Man sah schon an seinem
Kleidungsstil, dass Norbert Ulbricht ein
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