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Wuppertod

Wuppertod

Titel: Wuppertod
Autoren: Andreas Schmidt
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ausgestreckten
Zeigefinger und erkannte tatsächlich eine gepflegt
erscheinende Fassade mit bunter Leuchtreklame. »Warum fahren
Sie nicht direkt vor das Hotel?«, fragte er.
    »Geht nicht. Da,
Baustelle mitten auf Straße vor Hotel. Is' Sackgasse.«
Der Türke zuckte die Schultern, kehrte die Handflächen
nach oben und zog die Mundwinkel herunter. »Endstation. Kann
nix machen.«
    Tim Heiger fügte
sich seufzend in sein Schicksal. Noch immer litt er unter dem
Jetlag. Er war zu müde, um sich mit dem Taxifahrer zu
streiten, also musste er das letzte Stück des Weges zu
Fuß zurücklegen. Und das in diesem finsteren Slum.
»Das ist ein Stundenhotel«, brummte er. Seinem Agenten würde er
den Marsch blasen. Er hatte ein Zimmer im Metropol gebucht. Doch
von einer Metropole konnte man in dieser finsteren Gegend nun
wirklich nicht reden. Vermutlich hatte sich sein Agent vorher nicht
über die Umgebung informiert. Da hatte er ihm ja einen feinen
Job an Land gezogen. Und das sicher nur deshalb, weil ihn eine
Freundschaft mit Mark Tickmann, dem Regisseur des Films Wuppertod,
verband. Doch hier hörte für Heiger die Freundschaft auf.
Er blickte sich um. Das hier war eindeutig das Ghetto von
Wuppertal.
    Schlimmer als
schlimm.
    »Nix
Stundehottel, nix solche Frauen.« Sein Chauffeur grinste und
steckte den Daumen zwischen Zeige- und Mittelfinger hindurch.
»Alles sehr sehr gutt.« Der Taxifahrer nickte ihm
aufmunternd zu. »Sauber.«
    »Na, wenn Sie es
sagen.« Heiger zückte die Geldbörse und entrichtete
den Fahrpreis. Die Tatsache, dass der Taxifahrer ihn nicht aus dem
Fernsehen zu kennen schien, hatte Heiger schon fast wieder
vergessen, als er die Autotür öffnete und ins Freie
stieg. Der Fahrer hatte seine Reisetasche aus dem Kofferraum geholt
und drückte sie dem Schauspieler in die Hand. Bevor Heiger
sich versah, saß der Türke wieder in seinem Benz und
machte, dass er wegkam. Geschickt wendete er auf der engen
Straße. Tuckernd verschwand das Taxi um die nächste
Straßenecke.
    Tim Heiger blickte
sich zweifelnd um. Er konnte nicht glauben, wo man ihn hier
ausgesetzt hatte. Totenstille umfing ihn. In der Ferne gluckste der
schwarze Fluss, die Wupper. Und es stank gotterbärmlich. Er
war Besseres gewöhnt. Definitiv.
    Die Nacht war kalt.
Viel zu kalt für diese Jahreszeit. Sekundenlang stand Heiger
am Straßenrand und blickte sich um. Er spielte mit dem
Gedanken, seinen Agenten jetzt sofort aus dem Bett zu klingeln
und ihm gehörig die Meinung zu sagen. Er hatte schon seine
Hand am Mobiltelefon, doch dann beschloss er, das alles morgen in
Angriff zu nehmen.
    Der hoch gewachsene
Mann mit den dunklen Haaren und dem südländischen
Aussehen marschierte los. In einer Kneipe gegenüber wurde
gelacht. Laute Musik dröhnte aus riesigen Lautsprechen auf die
Straße. Eine finstere Spelunke. Überall roch es nach
kaltem Zigarettenqualm und abgestandenem Bier. Vermutlich wurde
dort mit Drogen gedealt. Oder mit Mädchen aus Osteuropa
gehandelt. Oder beides.
    Nebenan ein Sexshop.
Was auch sonst in dieser Gegend?
    Tim Heiger schnaubte
wütend, während er durch die Nacht stapfte. Er blickte
sich immer wieder um, fühlte sich unwohl in seiner Haut,
fühlte sich verfolgt und beobachtet von tausend unsichtbaren
Augen. Die Häuser auf der anderen Straßenseite lagen
unbeleuchtet da. Hohe, glaslose Fenster wirkten wie Höhlen,
Putz bröckelte von den Fassaden. Leer stehende
Fabrikgebäude vermutlich. Immobilien, die kein Mensch mehr
haben wollte. Ein Job für die Abrissbirne.
    Heiger hatte soeben
eine dunkle Löv passiert, als er Schritte hinter sich vernahm.
Ein großer Schatten schälte sich aus der Dunkelheit der
Hofeinfahrt. »Tim Heiger?«
    Der Schauspieler blieb
verdutzt stehen. »Ja.« Die Tatsache, dass man ihn hier
erkannte, erfüllte ihn kurz mit Stolz und besserte seine Laune
einen Deut. »Sie kennen mich?«
    Er tat ein, zwei
Schritte auf sein Gegenüber zu und wurde sekundenlang vom
Schatten der Hofeinfahrt verschluckt. Hier stapelte sich Müll
und Unrat, weiter hinten erkannte er einen umgekippten
Einkaufswagen. Die Scherben geleerter Schnapsflaschen glitzerten im
spärlichen Licht der Straßenbeleuchtung.
    »Natürlich,
ihre letzte Rolle war Weltklasse. Ich bin ein großer Fan von
Ihnen.«
    Der Fremde
näherte sich. Er war untersetzt und trug einen langen,
wallenden Ledermantel. Von seinem Gesicht konnte Heiger nichts
erkennen, es lag im Schatten der breiten Hutkrempe.
    »Wollen Sie ein
Autogramm?«, fragte Tim Heiger
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