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Wunschkonzert: Roman (German Edition)

Wunschkonzert: Roman (German Edition)

Titel: Wunschkonzert: Roman (German Edition)
Autoren: Anne Hertz
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ist mein einziger direkter Mitarbeiter im A&R-Department. Aber trotzdem!
    »Also, was sagt dir das?«, wiederhole ich daher.
    Er schweigt bockig.
    Ich seufze innerlich. »Das sagt dir, dass ich dein Boss bin und du mit mir vor jeder Entscheidung Rücksprache halten musst.«
    »Aber es war doch nur das Booklet«, nuschelt er leise.
    »Ist mir egal«, weise ich ihn zurecht, »ob es
nur
das Booklet oder
nur
die Entscheidung darüber ist, ob der Künstler auf seinem Foto den Scheitel links oder rechts tragen soll, oder von mir aus darüber, ob du aufs Klo gehst!«
    »Aber …«
    »Ist das klar, Tobias? Haben wir uns da jetzt verstanden?«
    Er nickt.
    »Dann ist ja gut.«
    Er entschwindet, und ich meine ein leises »Kontrollfreak!« zu vernehmen. Soll er halt. Schließlich bin ich diejenige, die am Ende ihren Kopf für alles hinhalten muss. Wenn er irgendwann so weit ist, kann er gern seinen eigenen Mist bauen – aber noch bin ich seine Vorgesetzte.
    »Na?« Unsere Sekretärin Hilde steht in meiner Tür und lächelt mich amüsiert an. »Mal wieder Ärger mit dem Junior? Der ist ja ziemlich geknickt hier rausgeschlichen.«
    »Ach«, seufze ich, »Ärger würde ich jetzt nicht sagen. Ich muss ihn nur hin und wieder daran erinnern, dass wir hier kein anarchistischer Haufen sind, bei dem jeder machen kann, was er will.«
    Hilde lacht glucksend. »Sei nicht so streng mit ihm, Stella! Das ist halt jugendliche Euphorie.«
    »Dagegen hab ich ja auch nichts«, gebe ich zu, »aber wenn sie in blinden Aktionismus ausartet, muss ich ja wohl mal was sagen.«
    »Du wirst dir Tobias schon zurechtbiegen«, erwidert unsere Sekretärin schmunzelnd. Dann holt sie hinter ihrem Rücken eine große Packung Merci-Schokolade hervor und legt sie mir auf den Tisch. Ich sehe sie fragend an. »Stichwort ›zurechtbiegen‹«, erklärt sie, »danke noch mal, dass du mir letzte Woche bei den Reisekostenabrechnungen geholfen hast. Ich weiß auch nicht, weshalb ich da so durcheinandergekommen bin.«
    »Kein Ding«, winke ich ab, »war ja nur ein verrutschtes Komma, das war jetzt wirklich keine große Sache.«
    »Doch«, insistiert Hilde, »ohne dich hätte ich den Fehler nicht gefunden und da noch stundenlang drüber gegrübelt.«
    »Ich hab da einen Trick«, verrate ich ihr, »Zahlen gehe ich immer von hinten nach vorn durch, und zwar zweimal. Da findet man eigentlich alles.«
    »Guter Tipp«, sagt Hilde.
    »Also, danke für die Schokolade, auch wenn das echt nicht nötig war.«
    »Ich hoffe, du isst so was überhaupt. So schlank, wie du bist, war ich mir nicht sicher.«
    »Doch, doch, hin und wieder nasche ich schon.«
    »Dann hast du Glück, dass man es dir nicht ansieht«, stellt unsere Sekretärin fest. »Bei mir setzt es ja leider schon an, wenn ich mit dem Bus an einer Konditorei vorbeifahre.« Sie klopft sich mit einer Hand auf ihren wirklich beachtlich runden Bauch. »Aber mit über fünfzig muss man ja auch nicht mehr aussehen wie Twiggy.«
    »Hmm«, erwidere ich und weiß jetzt nicht so recht, was ich darauf antworten soll.
Recht hast du?
Das wäre ein bisschen gemein.
Das ist doch Quatsch?
Das wäre ganz offensichtlich gelogen. »Mhhmmm«, ziehe ich mich lautmalerisch aus der Affäre.
    Hilde macht keinerlei Anstalten zu gehen, sondern lächelt mich weiterhin freundlich an. Scheint irgendwie in Plauderlaune zu sein. »Ja, äh, also«, setze ich an, »das ist wirklich total nett von dir.« Dann nehme ich die Packung in die Hand und reiße sie an der Perforation auf. »Willst du vielleicht ein Stück?«
    »Och, wenn du mich so fragst: Danke, sehr gern!« Sie lässt ihre Finger über die offene Packung kreisen und entscheidet sich dann für einen Riegel Krokantschokolade.
    »Hm, lecker«, teilt sie mir mampfend mit. Ich überlege, ob ich jetzt aus Höflichkeit auch ein Stück essen sollte. Allerdings hatte ich beim Mittagessen schon einen Vanillepudding, damit ist mein Süßigkeitenbedarf für heute eigentlich abgedeckt. Bevor ich weiter darüber nachdenken kann, klingelt mein Telefon. Die Rettung vor zu viel Bürointimität! Ich nehme mit einem entschuldigenden Schulterzucken in Hildes Richtung ab.
    »Elb Records, Stella Wundermann«, melde ich mich.
    »Hallo, mein Schatz!« Meine Mutter. Okay, nicht der wichtige Geschäftsanruf, den ich jetzt gerade brauchen könnte, aber in der Not kann man nicht wählerisch sein.
    »Einen Moment, bitte«, sage ich so professionell, als würde Lady Gagas Manager persönlich anrufen, lege die Hand über die
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