Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott

Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott

Titel: Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott
Autoren: Tamara Ramsay
Vom Netzwerk:
überhaupt kein Ende nimmt?« fragte sie.
    »Ga ga ga«, schnatterten die Enten
durcheinander, »sie meint, der Deich sei eine Mauer — eine Mauer!«
    »Dummes Volk«, zischte eine Gans, »der
Deich ist auch eine Mauer. Eine Mauer gegen Sturm und Wassersnot.«
    Da fragte die Kleine: »Schöne weiße
Gans auf der grünen Wiese, kannst du mir wohl sagen, wo ich den Hahn Fabian
finde?«
    »In Mödlich! In Mödlich! Geh nur zu zu
zu!«
    Und die Kleine ging zu. Als sie ganz
nahe an den Deich herangekommen war, da sah sie zwischen den hohen Bäumen die
Bauernhöfe von Mödlich liegen.
    »Was sind denn das für Bauernhäuser,
bei denen die Dächer fast bis zur Erde reichen?« fragte sie ein Schaf, das am
Deichabhang zwischen den Obstbäumen graste.
    »Mä hä hä«, lachte das Schaf, »weißt du
denn nichts von den Häusern der Niedersachsen?«
    »O du schönes, wolliges Schaf im grünen
Gras«, lachte da auch die Kleine, »kannst du mir nicht sagen, wo hier der Hahn
Fabian wohnt?«
    »Im letzten Haus, im allerlehehetzten
Haus!« rief das Schaf.
    Als Dott mit ihrem Sack über der
Schulter die Dorfstraße entlangwanderte, sah sie, daß alle Häuser gleich gebaut
waren. Alle waren mit der hohen Wohnseite und den hübschen Vorgärten zum Deich
gerichtet und hinten nach den Wiesen zu durch kleine Gehölze vor den
Nordstürmen geschützt. Und in den großen, bunten Glaskugeln der Vordergärten
spiegelte sich alles ganz wunderschön wider, das rote Backsteinhaus mit dem
grünen Balkenwerk, die weißen Fensterläden und das mächtige schwarze Rohrdach
des Giebels.
    »Was sind denn das für Bauern, die wie
in Herrenhäusern wohnen?« fragte sich Dott. Und da sie nun vor dem letzten Haus
in Mödlich stand, öffnete sie die Gartenpforte und ging in den Vorgarten
hinein, vorbei an dem leuchtend grünen Rasen und den Beeten mit Rosen,
Stiefmütterchen und Lilien und um die Ecke an der langen, langen Seitenmauer
entlang, bei der das Dach fast bis zur Erde reichte, und zur hinteren Seite des
Hauses. Da flatterten die Tauben umher, die Hühner scharrten nach Futter, und
in das riesige, weitgeöffnete Tor der hinteren Giebelwand stolzierte gerade der
Hahn Fabian hinein.
    Da sprang die Kleine eilig hinter ihm
her, vorbei an der langen, langen Reihe der Krippen, links für die Kühe und
rechts für die Pferde, und dann durch die offene Tür im Hintergrund des riesigen
Stalles mitten in die große Wohndiele hinein.
    Da war unter einem Schwibbogen der
Herd, auf dem es brodelte und kochte und dampfte — es duftete nach geräuchertem
Speck und grünen Bohnen. Und über allem hingen an der Decke eine Unmenge von
Würsten und Schinken und Speckseiten.
    An einem großen Holztisch stand eine
junge Frau, die hatte drei runde Brote vor sich liegen. Sie nahm eines der
Brote nach dem andern in die Hände und schnitt in die Unterseite eines jeden
ein großes Kreuz. Dabei murmelte sie: »Alles, was wir haben, sind Gottes Gaben.
All, de von ditt Brot äten, solln uns’n Herrgott nich vergäten.« Und dann
begann sie die Schnitten für das Vesperbrot zu schneiden.

    Als die Kleine das frisch gesegnete
Brot vor sich sah und daneben die angeschnittene geräucherte Wurst und den Berg
von Butter, und als sie die lieblichen Gerüche vom Herd einsog, da fühlte sie
wieder einen mächtigen Hunger in sich aufsteigen. Einen Augenblick lang war es
ihr, als würde sie mit Gewalt zum Tisch hingeschoben und als spräche eine
Stimme in ihr: »Du brauchst doch nur die Wurst zu packen und leise
fortzuschleichen. Niemand würde dich fangen können!«
    Da sagte sie mit einem tiefen Seufzer
zu sich selbst: »Nein, stehlen werde ich nicht!« — Und leise ging sie wieder
die Diele hinunter und durch den Stall dem Tor zu. Als sie aber dicht an den
Hahn herankam, hockte sie sich zu ihm nieder und flüsterte: »Hahn Fabian — was
sind denn das für Menschen, die mit dem Vieh im selben Raum leben?«
    »Kikerikihihihi!« lachte der Hahn.
»Weißt du das nicht? — Die Niedersachsen und die Friesen von drüben, von
jenseits des Stromes, die sind es, die mit uns und dem Vieh zusammen unter
einem Dache leben.«
    »Hahn Fabian — wenn du so vieles weißt
— kannst du mir da nicht sagen, wo Frau Harke ist?«
    »Bin ich denn ein Wasser- oder
Waldvogel?« antwortete der Hahn. »Geh nur vor den Deich hinaus. Da wohnt
zwischen Weiden und Erlen Gurian, der Fischreiher. Der wird wissen, wo die Frau
der Sümpfe und Flüsse ist.«
     
     
     

Der Strom
     
    Dicht hinter dem Elbdeich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher