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Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott

Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott

Titel: Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott
Autoren: Tamara Ramsay
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durfte! Es war so schön, daß ich überhaupt nicht
mehr merkte, wie häßlich er war!« —
    Ja, für sein Geigenspiel hatte Klaus
seine Menschenschönheit dahingegeben, so daß er nun nicht mehr unter den
Menschen leben konnte. Die Geige war darum auch ein Stück seiner Seele
geworden. — Aber gerade darum war nun auch alles so schlimm für den Jungen!
Denn als er mit seinem Bogen nach der Krähe schlug, hatte er nach seiner
eigenen Seele geschlagen, nur um immer weiter spielen zu können. Zu seiner
Seele aber gehörte ja auch die Geige. Und so hatte er auch sein Spiel
zerschlagen und zerstört.
    »Das ist eine schlimme Sache für den
Jungen«, würde Cornix dann antworten und von der Seite zu ihr hinüberblicken,
»die Geige klingt nicht mehr, weil es in der Seele des Jungen nicht mehr
klingen will. Und es kann in der Seele des Jungen nicht mehr klingen, solange
die Geige nicht wieder klingt.« Und sie würden beide dasitzen und nachdenken.
Und Cornix würde von Zeit zu Zeit den schiefgeneigten Kopf ein wenig zu ihr
wenden und zu ihr hinüberblinzeln, als erwarte er wieder etwas Besonderes von
ihr. Aber es wollte und wollte ihr nicht das Geringste einfallen!
    Das eine aber war sicher! Was auch mit
dem Jungen geschehen würde, sie mußte sein Schicksal teilen. Niemals würde sie
Klaus allein lassen! Und das mußte sie nun auch vor Cornix aussprechen. Und ehe
sie es sich versah, sagte sie ganz laut: »Nein, niemals werde ich Klaus allein
lassen! Und solange er nicht erlöst werden kann, will ich auch nicht erlöst
werden!«
    Kaum aber hatte sie das gesagt, als der
Junge vor ihr stand und sie so seltsam anschaute, als habe er ihre Worte
verstanden. — Während aber beide Kinder noch fragend aufeinander schauten, da
läuteten vom nahen Turm Glocken. Als sie aufblickten und zur Kirche
hinübersahen, erkannten sie, daß alles um sie her verwandelt war.
    Große Schneeflocken wirbelten um sie
her, und der Boden war bedeckt von weichem, tiefem Schnee. — »Die Rennefarre!«
dachte die Kleine gleich. Klaus war mit ihr zusammen durch die Rennefarre in
ihrem Schuh in eine andere Zeit versetzt worden! Plötzlich öffneten sich die
Türen des Kirchleins, eine Bahn von Licht brach aus dem Innern und legte sich
wie eine Straße durch den ganzen Friedhof hindurch bis in den Wald.
    Da faßten sich die Kinder, ohne ein
Wort zu sprechen, bei der Hand und liefen auf das Licht zu. Bevor sie aber noch
die Kirche erreicht hatten, blieben sie wieder stehen und schauten zur Tür
hinein. Da sahen sie, daß die Kirche auch im Innern ganz aus Holz war.
Wunderschöne Bilder waren an die Decke gemalt oder hingen an den Wänden. Das
Licht jedoch, das aus der Kirche strömte, kam von dem großen Adventskranz, der
vor dem Altar von der Decke herabhing und an dem drei Kerzen angezündet waren.
    Wie die Kinder aber so dastanden und
auf die brennenden Adventslichter blickten, hörten sie hinter sich ein Knirschen
im Schnee wie von vielen Schritten. Und als sie sich umwandten, da sahen sie
einen seltsamen Zug: Mitten in der Straße von Licht kamen die Tiere des Waldes
auf das Gotteshaus zugeschritten, Hirsche, Wildschweine, Marder, Hasen und
Füchse, alle friedlich nebeneinander, so zogen sie ohne anzuhalten an den
Kindern vorbei und in das Gotteshaus hinein.
    Gleich nach den Tieren des Waldes aber
kam mit schwerem Tritt ein Trupp Pferde daher. Sie hatten weder Schweif noch
Mähne, und ihr Fell war fast ganz ohne Haar. Langsam stampften sie durch den
Schnee, den Kopf gesenkt und mit trüben, erloschenen Augen. Das waren die
Grubenpferde der großen Bergwerke in Oberschlesien, die bei ihrer Arbeit unter
der Erde blind geworden waren. Doch ohne sich im Wege zu irren, zogen auch sie
auf der Lichtbahn in die Kirche hinein.
    Kaum aber waren die Pferde im
Gotteshaus angelangt, als in großen Scharen die Vögel des Waldes so dicht über
die Kinder hinwegbrausten, daß es um sie wehte und dröhnte. Als jedoch die
Vögel ihren Platz in den Rosettenfenstern des Gotteshauses gefunden hatten und
es wieder ganz still geworden war, da begann es sich draußen von neuem zu
regen.
    Wie Türen, die sich öffneten, so hoben
sich die Grabplatten lautlos von den Gräbern, und dann kamen die Toten aus der
Erde heraufgestiegen. In feierlichem Zug schritten sie auf die Kirche zu.
Zuerst die Buben und Mädchen, alle in ihren bunten Trachten, und die Größeren
mit den Kleinen an der Hand. Dann die Bauern in langen Röcken und mit hohen
Pelzmützen auf dem Kopf und Frauen
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