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Wunder wie diese

Wunder wie diese

Titel: Wunder wie diese
Autoren: Laura Buzo
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Lake Bondi.
    Wir schwimmen wie die Weltmeister. Im Ernst, wir verbringen fast zwei Stunden ununterbrochen im Wasser. Unsere Gesichter und Schultern brennen, aber wir können uns nicht von dem kühlen klaren Nass trennen. Wir lassen uns auf dem Rücken treiben und schwimmen gleich darauf weiter raus, tauchen nach einer Handvoll Sand. Wir kraulen zwischen den Flaggen hin und her; wir gleiten so tief wie möglich durch das Wasser hinab und öffnen die Augen in der grünen Unterwasserwelt. Wir betrachten den vollen Strand von weit draußen, wo es richtig tief ist.
    »Uns holen die Haie zuerst«, sagt Penny.
    »Sag das nicht«, kreische ich und schwimme ein paar Meter landeinwärts, bis auf die Höhe eines anderen Schwimmers.
    »Wir«, sagt sie und schwimmt geschmeidig auf mich zu, »werden ordentlich Armmuskeln kriegen.«
    »Ich kann kaum glauben, dass ich noch nicht schlappgemacht habe.«
    »Ist das fantastisch, oder was?«
    Meine Gedanken kreisen um das bevorstehende Weihnachtsfest in der Familie. Wir wollen morgen Geschenke kaufen, nach meiner Morgenschicht bei Dymocks, dem Buchladen, wo ich jetzt jobbe. Nachdem ich im Land der Träume gekündigt habe, habe ich für das Weihnachtsgeschäft einen Aushilfsjob bei Dymocks gefunden – wenn ich Glück habe, kann ich danach noch weiter dort arbeiten.
    »Ich kann es nicht mehr abwarten«, sage ich zu Penny. »Ich will endlich wissen, ob wir in der Oberstufe Ms McFadden als Englischlehrerin kriegen.«
    »Das finden wir noch früh genug raus.«
    »Das dauert noch fünf Wochen! Was, wenn wir sie nicht kriegen?«
    »Kann sein, dass wir nicht in dieselbe Klasse kommen.«
    »Sag so was nicht!« Das wäre ja furchtbar. »Dann will ich lieber, dass keine von uns sie kriegt, besser als nur eine.«
    »Typisch Amelia.«
    Schließlich schwimmen wir doch ans Ufer zurück und lassen uns auf die Handtücher fallen. Es ist bestimmt schon fünf. Vielleicht sogar sechs. Wir trinken Wasser aus vormals gekühlten Flaschen und essen die jetzt warme Wassermelone aus der Lunchbox, die wir mitgebracht haben.
    »Hast du diese Woche schon was von deinem Dad gehört?«, frage ich sie.
    »Ja, ich war Dienstag mit ihm mittagessen bei seiner Arbeit.«
    »Hat er dir inzwischen erzählt, wo er wohnt?«
    Sie verzieht kaum merkbar das Gesicht. Nur einem geübten Beobachter wäre es aufgefallen.
    »Nein.«
    »Das ist…«, aber ich finde keine Worte dafür, wie das genau ist. »Es tut mir so leid, Süße.«
    »Ja.« Sie starrt mit erhobenem Kopf zum Horizont.
    »Wie geht’s deiner Mum?«
    »Sie macht sich Sorgen, dass er sie über’s Ohr hauen könnte.«
    »Finanziell?«
    »Ja. Und sie hat ihm die besten Jahre ihres Lebens geschenkt.«
    Es haut mich manchmal echt um, was für Gespräche Penny mit ihrer Mutter führt. Meine Familie nervt mich manchmal entsetzlich, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass wir nicht mehr zusammen sind. Kann mir nicht vorstellen, dass mein Vater einmal… nicht mehr Teil von uns ist, seine Siebensachen packt und nicht mehr für uns erreichbar ist, außer bei der Arbeit.
    »Hast du mal wieder von Chris gehört?«
    »Ja, er hat vor ein paar Tagen um drei Uhr nachts besoffen angerufen, aus einem Klub in Tokio. Er sagte, er vermisst mich, aber er amüsiert sich dort gut, er ›versohlt die Japaner‹.«
    »Er macht WAS?!«
    »Keine Ahnung. Vielleicht habe ich ihn auch falsch verstanden. Im Hintergrund lief laute Techno-Musik. Er hat mir zu Weihnachten ein Buch von Kate Jennings geschickt, ein Essay. Auf die Karte hat er geschrieben, dass es mir nicht nur mit Sicherheit gefallen wird, sondern dass es auch noch prima in eine Handtasche passt, sodass ich es auch unterwegs lesen kann, zum Beispiel in der Bahn.«
    »Du hast aber gar keine Handtasche.«
    »Nein, aber ich hab diese Umhängetasche, die ich immer mitnehme, wenn wir losziehen.«
    »Stimmt.«
    »Ich könnte mir auch eine Handtasche kaufen.«
    »Na sicher.«
    »Glaubst du mir nicht?«
    Sie hält die Hände hoch, als wolle sie sagen: Bitte nicht schießen.
    Ich gieße mir Wasser über die klebrigen Finger und anschließend über ihre.
    »Wie schlimm vermisst du ihn denn?«
    »Ziemlich schlimm.«
    »Was für ein Scheiß.«
    »Da hast du recht.« Ich fühle mich leer, wenn ich nur daran denke. »Ich muss noch so lang warten.«
    »Warten?«
    »Bis er zurückkommt. Noch fast zwei Jahre. Wie soll ich die nur überstehen?«
    »Warten? Überstehen?« Penny haut mir auf den Arm. »Du wirst nicht warten. Du wirst nicht… Wir werden
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