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Wunder wie diese

Wunder wie diese

Titel: Wunder wie diese
Autoren: Laura Buzo
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noch nie betrachtet.«
    »Natürlich nicht«, polterte es aus ihr heraus. »Weshalb auch. Du bist dazu erzogen, deinen Platz im Patriarchat einzunehmen.«
    »Ich nicht.«
    »Es ist ein sehr subtiler Prozess, Chris. Du bist dir deines eigenen Beitrags dazu noch nicht mal bewusst.«
    »Kleine, ich hab an der Uni Seminare über Feminismus belegt. Ich glaube, es wäre mir aufgefallen, wenn ich mit dem Patriarchat konform gehen würde.«
    »Na dann«, sagte da der kleine Hitzkopf. »Wann hast du denn zuletzt den Kühlschrank abgetaut? Hast alles ausgeräumt, weggeschmissen, was nicht mehr genießbar war, was du aufheben wolltest, in die Kühlbox getan, hast währenddessen den Kühlschrank von ausgelaufenen Resten, Krümeln und Teilen undefinierbarer Lebensmittel ausgewischt, die Gemüsefächer und Glasplatten herausgenommen, sie in heißem Spülwasser abgewaschen, abgetrocknet und dann alles wieder eingeräumt?«
    Okay, ich geb’s ja zu, sie hatte mich erwischt. »Hab ich noch nie gemacht.«
    Ich wusste vorher noch nicht mal, dass man so etwas macht. Ich habe noch nie darüber nachgedacht, dass man den Kühlschrank tatsächlich sauber machen muss.
    »Du kannst darauf wetten, dass deine Mutter das macht. Du kannst sogar Gift darauf nehmen.«
    Sie fuhr damit fort, noch weitere Aufgaben abzuspulen, deren Existenz ich bislang noch nicht einmal erahnt hatte, aber deren Erledigung notwendig ist, damit ein Haushalt funktionieren kann. Dann fuhr sie fort, dass es selbstverständlich meine Mutter war, die diese Art von Tätigkeiten erledigte, ebenso wie ihre, und meine Unwissenheit darüber war für sie der lebende Beweis für meinen Beitrag zum Patriarchat.
    »Dafür mähe ich den Rasen«, sagte ich etwas pikiert.
    »Und ich wette, du willst dafür auch noch einen Orden, du Mistkerl, dafür, dass du alle paar Wochen mal den Rasen mähst! Alle Achtung!«
    An diesem Punkt ist es dann immer besser, klein beizugeben und das Gespräch in ruhigeres Fahrwasser zu lenken. Die Kleine hat wie ich eine Ader auf der Stirn, die hervortritt, wenn sie sich aufregt, und manchmal hab ich richtig Schiss, dass sie platzen könnte.
    Aber sie hat mich zum Nachdenken gebracht. Sogar dermaßen, dass ich zu Hause ein Buch von Kate Jennings herausgesucht habe. Amelia hatte mich an eine bestimmte Stelle erinnert. Sie ist aus einer Kurzgeschichte. Die Autorin schreibt da:
    Ich bin jetzt vierzig und Frauen, die so alt werden und dem Feminismus immer noch kritisch gegenüberstehen, müssen wohl Scheuklappen tragen, die für ein Zugpferd bestimmt sind. Bis eine Frau so alt ist wie Oneida, werden die restlichen Schleier von Illusionen darüber, wer hier die Zügel in der Hand hält und wessen grundlegende Interessen dabei verfolgt werden, sich komplett gelichtet haben.
    Ich ermuntere Amelia immer wieder, Kate Jennings zu lesen. Ehrlich gesagt, würde ich ihr am liebsten eine Literaturliste zusammenstellen. Ich möchte sie beim Lernen, Denken und Analysieren erleben. Wie gern würde ich von ihr eine ausgereiftere Analyse darüber lesen, ob es ihrer Mutter als Hausfrau in den Fünfzigern wirklich besser gegangen wäre. Ich möchte, dass sie ernsthaft darüber nachdenkt, wer hier die Zügel in der Hand hält und wessen grundlegende Interessen dabei verfolgt werden. Zu gern würde ich das miterleben wollen.
    Ich habe ihr gerade einen gesamten Tagebucheintrag gewidmet.
    So etwas nennt man Verzögerungstaktik. Ich wollte eigentlich an meiner Abschlussarbeit schreiben.
    25. August
    Es gibt nicht viel Neues. Wenn ich eine Bilanz aufstellen müsste, würde unterm Strich herauskommen, dass ich den ganzen Tag und die halbe Nacht an meiner Abschlussarbeit sitze, die ich in zwei Wochen abgeben muss. Bis auf die Zeit, die ich bei der Arbeit verbringe. Ich arbeite dienstags von zwölf bis neun Uhr, donnerstags von vier bis neun und sonntags von zwölf bis vier.
    Zu Hause komme ich kaum aus meiner schwarzen Trainingshose, dem Flanellhemd und meinen Ugg-Boots. Ich belohne mich mit Bewegung – wenn ich einen produktiven Tag hatte, erlaube ich mir gegen 16 Uhr einen Spaziergang. Ich gehe eine Runde durch den Park und atme die klare Winterluft tief ein. Manchmal komme ich erst um zehn Uhr abends aus meinem Zimmer und trinke mit Mum ein Glas Rotwein. Sie vermisst Zoe ganz furchtbar, aber wir reden nicht darüber, weil Zoe eine erwachsene Frau ist und es ein wenig albern ist, sich nach einem erwachsenen Kind zu sehnen. Mir fehlt Zoe auch, aber ich versuche, ihren Abgang als
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