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Wunder wie diese

Wunder wie diese

Titel: Wunder wie diese
Autoren: Laura Buzo
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exklusiven Zugang zu ihm haben – immer. Mich rund um die Uhr so gut fühlen, wie ich mich in seiner Nähe fühle. Will wissen, dass er ebenso gern mit mir zusammen ist, mehr von seiner Haut auf meiner spüren.
    Aber Chris scheint wie besessen hinter einer anderen her zu sein, Kathy Rushworth. Sie ist zweiundzwanzig und studiert Grundschullehramt an derselben Uni wie Chris. Wie auch Bianca ist sie eine der Schichtleiterinnen und damit so etwas wie Chris’ Chefin. Er beschreibt seine lang anhaltende Schwärmerei als den Kathy-Virus, der ihn immer wieder mal befällt.
    »Heute hat es mich besonders schlimm erwischt, Kleine«, murmelt er, während er mit weißen Fingerknöcheln einen vollgeladenen Wagen an meiner Kasse vorbeischiebt und Kathy dabei beobachtet, wie sie hinterm Service-Schalter angeregt mit Stuart Green aus der Lebensmittelabteilung plaudert.
    Eine Woche später erklärt Chris: »Er flaut wieder ab!«, und schlägt Kathys Einladung aus, nach der Arbeit noch in den Pub zu gehen. Stattdessen bleibt er bis nach Ende seiner Schicht und berät mich zu meiner Englischhausarbeit.
    Kathy ist dunkelhaarig, hübsch, zierlich – fast feengleich – und zeigt kein bisschen Interesse an Chris. Erst wenn der Kathy-Virus in seiner Wirkung nachlässt, widmet sie sich ihm merkwürdigerweise mit voller Hingabe: Sie berührt ihn am Arm (ihr persönliches Markenzeichen), rückt seine Fliege zurecht (von Bianca abgeguckt) und beugt sich über das Warenband, um ihm mit schief gelegtem Kopf ihre gesamte Aufmerksamkeit zu schenken. Daraus resultiert unweigerlich eine erneute Infektion durch den Kathy-Virus.
    Was diese Kathy wirklich braucht, ist, eine Büchse reduziertes Frühstücksfleisch an ihren Hinterkopf geknallt zu bekommen. Und ich glaube, ich wäre die richtige Frau für diese Aufgabe. Im Regal gleich neben meiner Kasse stehen welche griffbereit.
    Nachdem ich dieses Chris-und-Kathy-Schauspiel die gesamte Schicht von meinem Logenplatz an Kasse 7 bewundern durfte, gehe ich durch das verlassene Einkaufszentrum und die dunklen Straßen nach Hause.
    Eine kleine fünfzehnjährige Kassiererin hat gegen jemanden wie Kathy keine Chance. Selbst eine wie Street-Cred-Donna hätte ernsthaft Schwierigkeiten, bei Chris zu landen. Was sie mit Sicherheit versucht, davon bin ich absolut überzeugt. Ich bin nicht die einzige von den Jüngeren, deren Herz für Chris schlägt. Bei ihr sieht es nur anders aus. Ich rieche eine Konkurrentin zwanzig Meter gegen den Wind. Sie hat sich erst vor Kurzem ein neues Stacheldraht-Tattoo um ihren Oberarm stechen lassen (ein Geschenk an sich selbst zu ihrem Sechzehnten); auf dem anderen Arm trägt sie den Namen ihrer Mutter. Ihre Tattoos kann man so aber gar nicht sehen, weil sie von ihren Arbeitsklamotten verdeckt werden. Chris hat mir von ihnen erzählt.
    Bis zu meinem Sechzehnten dauert es noch Monate. Ich habe kein Tattoo und ich rauche nicht. Ich habe keine Ahnung, wie man sich schminkt, und jetzt, wo meine große Schwester ausgezogen ist und auf dem Campus wohnt, wüsste ich auch niemanden, der es mir beibringen könnte. Ich habe keine Chance. So viel steht fest.
    Ich schließe die Haustür auf, murmele meiner Mutter, die vor dem Fernseher die Wäsche zusammenlegt, etwas zur Begrüßung zu. Dad ist diese Woche unterwegs.
    Ich lasse meinen schweren Rucksack neben das Sofa plumpsen, setze mich zu Mum und ziehe die Schuhe aus.
    »Wie war dein Tag heute?«, frage ich sie.
    Sie antwortet nicht – kein gutes Zeichen.
    »Was ist los?«
    »Nichts.«
    Ich warte beunruhigt, dass sie noch was hinzufügt.
    »War irgendwas auf Arbeit?«
    »Nein.«
    »Hatte Jess wieder einen ihrer Wutausbrüche?«
    »Nein.«
    Ihre Bewegungen beim Wäschezusammenlegen sind ruppig und zornig und sie legt jedes gefaltete Teil mit Nachdruck auf den Stapel. Sie sieht müde aus, ihr Mund ist ein gerader Strich.
    »Was ist los?«, frage ich noch einmal.
    »Nichts!«
    Ich werde es nicht aus ihr rauskriegen, mir rast sowieso schon die Zeit davon. Ich habe noch Stunden von Hausaufgaben vor mir und es ist bereits kurz vor halb zehn.
    »Gibt es was zum Abendessen?«
    »Im Ofen.«
    Ich esse in der Küche im Stehen, spüle meinen Teller ab, nehme meinen Rucksack und gehe nach oben. Bis auf das grün leuchtende Nachtlicht aus Jess’ Zimmer am Ende des Flurs ist es dunkel. Zuerst Englisch, beschließe ich, während ich die Schreibtischlampe anknipse.
    Meine Englischlehrerin Mrs Cumming, bei der ich schon seit letztem Jahr habe, hat eine
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