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Wunder wie diese

Wunder wie diese

Titel: Wunder wie diese
Autoren: Laura Buzo
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ihn.
    »Ich hab noch ein Jahr bis zu meinem Abschluss an der New South.«
    »Welche Fächer?«
    »Englisch und Soziologie, beide als Hauptfach. In Soziologie hab ich nächstes Jahr Prüfung.«
    »Und danach?«
    »Fang bloß nicht damit an«, erwiderte er, plötzlich gereizt.
    Verlegen nippte ich an meiner Cola.
    »Hast du noch Geschwister?«, fragte er dann.
    »Eine ältere Schwester, Liza. Sie ist an der Charles-Sturt-Uni in Bathurst. Sie wohnt dort mit ein paar anderen in einer Haus-WG.«
    »Hat die ein Glück.« Er verzog das Gesicht. »Ich wohne noch zu Hause.«
    »Vertragt ihr euch nicht?«
    »Ach, sie sind nett. Es ist nicht wirklich schlimm. Es ist nur… Ich wohne schon zu lange dort. Aber ich hab keine andere Wahl. Deshalb…« Er verstummte.
    »Meine andere Schwester ist gerade drei geworden.«
    »Drei? Wow.«
    »Ja, ich weiß.«
    »In der oberen Kommodenschublade haben Verhütungsmittel noch nie was genützt.«
    »Das haben sie inzwischen wohl selbst herausgefunden.«
    Wir lachten beide.
    »Aber sie ist einfach so süß«, und mein Herz hüpfte bei dem Gedanken an Jessicas pralle runde Bäckchen und philosophische Grübeleien. Heute Morgen, als ich meinen Toast aß, kam sie zu mir. ›Amelia‹, sagte sie und legte ihre kleine Hand auf meine. ›Meine Hände fallen nicht ab. Sie sind fest dran an meinem restlichen Körper.‹ Wie wahr.
    »Hast du einen Freund?«
    »Was? Nein. Wie sollte das denn passieren?«
    Ich habe mich seit der Grundschule nicht mehr wirklich mit Jungs unterhalten. Meine einzigen Kontakte mit dem männlichen Geschlecht hatte ich im Bus. Aber die Drängler und Schubser zählen nicht richtig. Mit ihnen sähe so eine Unterhaltung ganz anders aus, dachte ich.
    »Und? Hast du eine Freundin?«, frage ich zurück.
    Er drehte am Ringverschluss der Coladose, bis er abbrach. »Nein.« Er warf die Dose in die Richtung eines ein paar Meter entfernten Mülleimers. Er verfehlte sein Ziel knapp, die Dose schepperte gegen das Metall und fiel zu Boden.
    »Wir gehen besser wieder rein.«
    Ich nickte und schob meinen Stuhl zurück.
    »Ach ja, du solltest unbedingt in die Gewerkschaft eintreten, Kleine. Das kostet nicht viel, aber du kannst dir sicher sein, dass du es irgendwann mal brauchen wirst.«
    Die Wochen vergingen und ich gewöhnte mich daran, nach der Schule zur Arbeit zu gehen. Es war schwierig, regelmäßig was für die Schule zu machen, aber nichts, wobei einem ein wenig Koffein am Abend und hin und wieder in der Mittagspause nicht helfen würde. Chris brachte öfter mal Entwürfe seiner Uni-Arbeiten mit auf die Arbeit, die ich mir in der Pause durchlas. Sein Lieblingsseminar war »Geschichte der Popkultur«. Seine Arbeiten waren durchzogen mit Zitaten seiner Lieblingsfilme wie Alien, Rambo, Platoon, Apocalypse Now und Der Pate. Was für ein krasser Gegensatz zu dem, was wir in der Schule durchnahmen! Er fragte nach meiner Meinung über seine Arbeiten und hörte sich geduldig meine Ausführungen dazu an.
    »Na, Kleine«, sagte er eines Tages zu mir und fixierte mich mit Adleraugen. »Warum hat Barnes Elias erschossen?«
    »Warum hat – wer?«
    »Barnes. Er hat Elias umgelegt. Warum?«
    »Ich weiß nicht, wovon…«
    »Nein, sag… sag jetzt bloß nicht, dass du Platoon nicht gesehen hast!«
    Ich gehorchte und schwieg.
    »Was bringen die euch denn eigentlich bei in der Schule?«
    An einem anderen Tag, als wir anstanden, um unseren Lohn im Büro abzuholen: »Das Mutterschiff bei Alien basiert ganz eindeutig auf feministischen Theorien. Findest du nicht auch?«
    Ich seh mir keine Gruselfilme an. Ganz ehrlich, ich meine das ernst. Sie machen mir Angst. Angst davor, allein zu Hause zu bleiben. Angst, nachts allein oben im Haus zu sein. Angst, allein im Dunkeln von der Arbeit nach Hause zu laufen. Penny sieht sich Horrorfilme an und bleibt total cool dabei. Sie kann sich im Bett Das Schweigen der Lämmer ansehen und danach friedlich einschlummern. Als wir den letztes Jahr gemeinsam gesehen haben, hab ich danach eine Woche lang nicht geschlafen. Das mach ich ganz sicher nicht noch mal.
    »Das ist kein Horrorfilm, Kleine. Das ist Science-Fiction, bahnbrechende Science-Fiction.«
    Jede Unterhaltung mit Chris löste bei mir eine nervenaufreibende Mischung aus Begeisterung und Verlegenheit aus. Wie oft hätte ich mir an die Stirn klatschen können, weil ich nicht dahinterkam, ob seine Anspielungen tatsächliche oder nur vermeintliche Insiderwitze waren. Ich gehe auf eine reine Mädchenschule, wo es
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