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Wuestentochter

Wuestentochter

Titel: Wuestentochter
Autoren: Sarah Bryant
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vorteilhaft erwiesen hatte. Dafür hasste Kerak ihn wie niemanden sonst auf der Welt.
    »Was wollt Ihr?«, schnarrte er.
    De Ridefort verneigte sich leicht. Die Sonne fiel auf sein langes, von grauen Strähnen durchsetztes goldenes Haar. »Messire wünschte mich zu sehen?«
    Kerak machte Anstalten, empört Einwände zu erheben, doch dann fiel ihm ein, dass dies der Wahrheit entsprach. Er hatte nach de Ridefort geschickt, sowie er die Karawane entdeckt hatte, sich dann aber von den Möglichkeiten, die sich ihm hier eröffneten, ablenken lassen. »Ja«, erwiderte er, dann mit etwas mehr Überzeugung: »Ja. Seht Ihr die Karawane, die dort unten vorbeizieht? Sie ist bewaffnet, und das sollte sie nicht sein. Nehmt die Garnison, und erteilt ihr eine Lektion.«
    De Ridefort musterte Kerak wie ein ungezogenes Kind, das einen dummen Streich plant. »Verzeiht mir, Messire, aber haltet Ihr das für eine weise Entscheidung? Uns sind im Moment durch einen Waffenstillstand mit Sultan Saladin die Hände gebunden …«
    »Diesen Waffenstillstand habe ich nicht ausgehandelt!«, brüllte Kerak außer sich vor Wut darüber, dass sein Untergebener ihm zu widersprechen wagte.
    »Aber wenn Ihr ihn brecht, werdet Ihr einen Krieg auslösen«, gab de Ridefort vorsichtig zu bedenken.
    »Ja … und die lateinischen Staaten werden es mir danken, weil ihr König zu rückgratlos dazu ist.«
    »Seid auf der Hut, Kerak«, mahnte der Großmeister. Ein Anflug von Hohn schwang in seiner Stimme mit. »Vergesst nicht, wer Euch den Rücken stärkt.«
    Kerak betrachtete die Karawane, die jetzt von den Zinnen und Mauerzacken der Brustwehr in mehrere Abschnitte unterteilt wurde. Ein paar Minuten noch, und dann würde es zu spät sein, also zügelte er sein Temperament, obwohl er de Ridefort zu gern wegen seiner Überheblichkeit zurechtgewiesen hätte. »Tötet die Wächter«, befahl er kalt. »Und werft die Pilger in den Kerker. Wenn die Frauen sich wehren, schändet sie. Versuchen die Männer sich zur Wehr zu setzen, tötet Ihr sie.«
    De Rideforts fein gemeißelte Züge verzerrten sich vor Abscheu,  aber er hatte sich sofort wieder in der Gewalt. Kerak, dem dies nicht entging, trat lächelnd auf ihn zu, bis sie einander so nah waren, dass sie sich hätten küssen können. Einen Moment lang fragte sich der Templergroßmeister, ob Kerak verrückt genug war, um genau das zu tun.
    Doch dieser fixierte de Ridefort stattdessen mit einem eisigen Blick. »Ihr zögert, Messire, was den Schluss nahelegt, dass die Gerüchte, die über Euch im Umlauf sind, vielleicht doch der Wahrheit entsprechen und Ihr einen … lasst es mich so ausdrücken … einen besonderen ›Freund‹ unter den Stämmen der Sarazenen habt.«
    De Ridefort schloss die Augen, um das grausame Glitzern in denen von Renaud nicht sehen zu müssen, aber er konnte weder die Worte ausblenden noch das auf sie folgende Schuldbewusstsein unterdrücken.
    »Der König mag ein Narr sein, Messire«, fuhr Kerak fort, »aber er ist nach wie vor der König. Ein Wort von mir, und das Getuschel bezüglich Eurer Person könnte noch lauter werden.«
    »Ihr bildet Euch ein, er würde einem Verrückten mehr Glauben schenken als dem Großmeister der Tempelritter?«, fauchte de Ridefort, der nun doch die Beherrschung verlor.
    Kerak zuckte die Achseln und widmete seine Aufmerksamkeit wieder der Karawane. »Verrückte sprechen für gewöhnlich die Wahrheit, während Politiker berufsmäßig lügen.«
    De Ridefort musterte Kerak lange, dabei fragte er sich, warum von allen Edelleuten Outremers ausgerechnet dieser den Grundpfeiler seines Plans bilden musste. Aber natürlich blieb ihm, wie sie beide wussten, nichts anderes übrig, als sich dem Mann zu fügen. Also deutete er eine kaum merkliche Verbeugung an, verabschiedete sich mit einem knappen »Messire« und wandte sich ab, um seiner Garnison den Befehl zum Angriff auf die Karawane zu erteilen, ehe ein triumphierendes Grinsen auf Keraks Gesicht treten konnte.
     

ERSTER TEIL
     

1 - WADI TAWIL, NAHE AYLA, FEBRUAR 1187 N.CHR.
    »Khalidah!«, rief Zeyneb zum dritten Mal. »Wenn ich dich finde, Mädchen, gerbe ich dir das Fell!« Eine Hand in die Hüften gestemmt blickte sie sich um, mit der anderen schützte sie ihre Augen vor der Morgensonne. Dann ging sie vor sich hinmurmelnd in Richtung der Pferdeweiden davon.
    Von der hoch oben im Hügel über dem Lager gelegenen Sandsteinhöhle aus sahen Khalidah und Bilal ihr nach. »Ich glaube, eine Tracht Prügel wäre mir immer
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