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Titel: wsmt
Autoren: Unknown
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schäbiges Plakat. Nichts
weiter.

Nicolss
spielt Komödie
     
    Ein weiteres Plakat schmückte
eine Wand im Eßzimmer, das, wie das angrenzende Zimmer, altmodisch eingerichtet
war. Das Ganze war weder sehr geräumig noch sehr sauber. Auch nicht schmutzig. Einfach
nur unordentlich, ärmlich und vernachlässigt. Colin alias Nicolss hatte
bestimmt nicht immer alleine hier gewohnt. Ich weiß nicht, woran das zu sehen
war, an einer bestimmten Ordnung vielleicht, die mehrere Jahre hindurch so
belassen worden war, seitdem eine weibliche Hand sich darum gekümmert hatte.
Ich fragte Hélène, ob sie die familiären Verhältnisse des Schauspielers kannte.
    „Ich glaub, er ist Witwer“,
sagte sie.
    Auf dem Küchentisch lagen noch
auf einem Teller die Reste einer flüchtigen Junggesellenmahlzeit — oder der
eines Witwers. Von selbst wanderten sie nicht in den Abfalleimer, der in einer
dunklen Nische unter dem Waschbecken auf sie wartete.
    Monsieur Nicolss war nur als
Bild anwesend. Erleichtert stellte ich fest, daß seine Leiche sich weder unter
dem Bett noch im Kleiderschrank noch hinter den staubigen Vorhängen versteckte.
Aber daß er nicht zu der Verabredung gekommen war und beim Verlassen seiner
Wohnung den Schlüssel im Schlüsselloch steckengelassen hatte, war dennoch
merkwürdig. Wenn ein hübsches Mädchen, auf das man sich verlassen kann, einem
fünfzigtausend Francs versprochen hat, läßt man die Sache nicht einfach so
sausen.
    Auf einem Sessel lag eine
klapprige, aber noch brauchbare Underwood. Was wollte Monsieur Nicolss mit einer Schreibmaschine? Vielleicht schrieb er in
seinen Mußestunden Chansons. Er wäre nicht der erste ausgemusterte
Schauspieler, der sich an Reimen versucht und meint, er könnte es besser als
andere. Die ehemaligen Sänger oder Schauspieler sind genauso wie die Leute, die
einen Schriftsteller in der Verwandtschaft haben. Sie schäumen über von Ideen,
wenn man sie so reden hört. ,Und wenn ich Zeit hätte, Monsieur, alles
aufzuschreiben, was ich im Laufe meines Lebens erlebt habe, ja, wenn ich Ihnen
nur ein Viertel davon erzählen würde,’ und so weiter und so fort. Ideen, die
gar keine sind, dünn wie Zigarettenpapier, hohl wie die Nüsse, die sie zu
knacken versprechen. Jawohl, Monsieur Nicolss schrieb bestimmt Chansons. Auf
dem Kaminsims vor einem Spiegel, der wohl so manch erhabene Pose gesehen hatte,
lag eine gelbe Mappe, wahrscheinlich mit dem Entwurf unvergänglicher
Meisterwerke, dazu geeignet, den Faubourg Saint-Martin zu erschüttern. Und
wahnsinnig viel Geld in die Kasse der S.A.C.E.M. fließen zu
lassen. Neben der Mappe lagen Papierkram, Fotos von Kolleginnen und Kollegen,
alte Programme und vergilbte Zeitungsausschnitte. Vielleicht hatte Nicolss
tatsächlich einmal eine ruhmreiche Zeit gehabt. Aber, wie er selbst bemerkt
hatte, das war alles sehr lange her! Es war also zu entschuldigen, wenn ich
mich nicht daran erinnern konnte oder es gar nicht wußte. Ich öffnete die
Mappe.
    Keine Chansons. Nur drei Blatt
Papier mit Briefkopf, völlig unbeschrieben:
     
    KÜNSTLER- UND THEATERAGENTUR
    Abendgesellschaften,
Konzerte, Variété, Tourneen.
    Paris,
Provinzstädte, Kolonien, Ausland
    A.
Gauri, Impresario,
    Passage
de l’industrie...“
     
    Ich reichte Hélène ein Blatt.
    „Ist es das, mein Engel?“
    „Ja“, sagte sie ohne Zögern,
jedoch mit einem komischen Unterton.
    So langsam kapierte sie.
    Ich stellte die Schreibmaschine
auf den Tisch. Brauchte zwei Versuche, um das Blatt einzuspannen. Es war, wie
die anderen beiden übrigens, zweimal gefaltet gewesen, und jetzt blieb es
hängen. Ich fing an zu tippen. Die Schrottmaschine machte einen Heidenlärm.
     
    Monsieur,
    wir
haben die Ehre, Ihnen wie vereinbart...“
     
    Das reichte. Ich zog das Blatt
heraus und bat meine Begleiterin wieder um ihre Meinung:
    „Und das, ist es das auch?
Nicht der Text, nur die Drucktypen.“
    „Das sieht dem verdammt ähnlich!“
rief sie. „Also wirklich!“
    Ich lächelte:
    „Wenn man pleite ist, muß man
erfinderisch sein. Ich weiß, was es heißt...“
    Ich steckte das Blatt ein,
stellte die Underwood auf
ihren Platz zurück und fuhr fort:
    „Ich weiß, was es heißt, pleite
zu sein. Am besten soll der, den man anpumpt, sofort in die Tasche greifen. Bei
solchen Aktionen hält man nicht viel von Verabredungen. Man betrachtet sie als
eine verschleierte Form der Ablehnung. Manchmal gibt man’s dann auf. Besonders,
wenn man noch andere Eisen im Feuer hat. Vielleicht war das bei ihm
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