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Wortstoffhof

Wortstoffhof

Titel: Wortstoffhof
Autoren: Axel Hacke
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Hand, deren wahre Bedeutung man nur selbst kennt, niemand sonst. Denn das Wichtigste beim Schimpfen ist doch, dass einem selbst ein bisschen leichter wird ums Herz und ums Maul.
    So habe ich eine Zeit lang, wenn mir jemand die Vorfahrt nahm, immer ein kräftiges »Tika-Taki« zum Autofenster hinausgerufen. Aber ich habe vorsichtshalber keine Zettel dazu verteilt. Man weiß ja nie, wohin sie weitergereicht werden.
TRAUERPUMPE
    Herr H. aus Öhringen reiste im Sommer 2005 nach Südfrankreich und entdeckte dieses schöne Wort in einem Fremdenführer: Trauerpumpe. Auf Französisch hieß es pompe funèbre , was »Trauerzug« oder »Beisetzungszeremonie« bedeutet, hier aber eben mit »Trauerpumpe« übersetzt wurde. Weil H. beruflich für die Hohenloher Zeitung tätig ist, verfasste er dort eine sehr schöne Glosse, in der er sich unter Trauerpumpen »farbenfrohe Wunderwerke der Technik« vorstellte, »die Gram und Grau des Alltags aufsaugen und in die unendlichen Fernen des Weltalls pumpen. Was die Menschen nichts ahnend Milchstraße nennen, ist nichts als ein großer See abgepumpter Trauer. Noch lacht die Sonne trügerisch hell am blauen Himmel. Doch der nächste November kommt bestimmt. Wohl dem, der dann eine Trauerpumpe hat.«
TSKITISHVILI
    Das ist immer eine schöne Zeit, wenn die Bundesliga naht. Man kauft das Sonderheft vom kicker , löst die Stecktabelle aus der Mitte, studiert Interviews mit Überschriften, die nach vorne weisen: »Ich erwarte, dass Luizao diese Saison mehr bringt.« Oder: »Kuranyi und Lauth werden losschlagen.«
    Man liest in Bild den jährlichen Bundesliga-Test und weiß: Auf irgendeinem Sofa dieses Landes liegt sicher immer noch, längst mumifiziert, der 2006 verstorbene Max Merkel, bei dem die Tore »Buden« hießen. Und der, zum Beispiel, einmal über Bremens Torhüter schrieb: »Torwart ist sein Zweitberuf. Sonst ist er Flugschüler.« Man sieht auf Fotos, sich warm trabend, kleine Kicker-Herden. Dann wird der erste Südamerikaner mit einer Geldstrafe belegt, weil er zu spät ins Vorbereitungslager kam. Dann tauchen Fragen auf, die lauten: Wer wird der Trainer sein, den man zuerst entlässt? Ob dieser und jener Spieler in Wolfsburg einschlägt? Dann geht die Tour de France zu Ende – und du weißt: Nun kann es nicht mehr lange dauern. Nun ist die Fußball-Bundesliga schon ganz nah.
    So geht das jetzt seit Jahrzehnten, und bitte: Nie soll es anders sein! Immer soll das bleiben: dieser Frühling im Sommer, dieses Schnuppern an der kommenden Saison. Was ändert sich schon wirklich, im Fußball?
    Über Deisler, den ewig Verletzten, dann früh Pensionierten, las man mal, er habe seine Freundin in einer Buchhandlung kennengelernt. Das hätte es früher nicht gegeben: Fußballerin einer Buchhandlung! Man fragt sich: Was hat sich mehr verändert, Kicker oder Buchhandlungen, seit Effenberg und Bohlen?
    Na, das sind Kleinigkeiten.
    Die größte Freude ist immer die Lektüre der Namenslisten jener, die bald um Punkte kämpfen. Es ist die reine Poesie. Es gab Jahre, da fand man in der ersten und zweiten Liga tatsächlich Kerle wie Anfang und Endler, Scharping und Schröder, Nulle und Nicht, Ernst und Scherz, ja, es spielten auch Dédé und Lala sowie, das war in Unterhaching, einer mit Namen Darlington Omodiagbe. Der trat schon für Piotrcovia Piotrkow, SSR Rzgow, LKS Lodz und Iwuanyanwu Owerri an, dazwischen aber auch in Duisburg, Hannover und Gütersloh.
    Mein Lieblingsname war lange Zeit Tattermusch. Der spielte für die Stuttgarter Kickers, lange her, dann in Wilhelmshaven. Und es gab vor Jahren eine Saison, da war es möglich, aus Männern beider Ligen diese Elf aufzustellen: Vollborn, Ballwanz, Breitkreutz, Dickhaut, Eigenrauch, Gansauge, Hutwelker, Langerbein, Wüllbier, Feinbier und Kleeschätzky. Von denen ging dieser und jener, dafür kamen Männer wie Knackmuß, Heerwagen, Schweinsteiger. Mäkelmann spielte in Lübeck, schon der Name war eine gelbe Karte wert.
    Warum Radioreporter froh waren, als die Saison 2003/2004 vorbei war? Damals spielten in den Bundesligen: Tskitishvili, Krzynowek, Hujdurovic, Ogungbure, Grlic, Mbwando, Younga-Mouhani, El-Akchaoui, Ouedraogo.
    Ich kannte mal einen, der war in der Lage, die Mannschaftsaufstellung von Rapid Wien in den fünfziger Jahren – mit Max Merkel und Ernst Happel übrigens – an den Spitznamen herzusagen: Der Tiger, Maxl, Aschyl, Poldl,Gschrapp, Gogo, Gselchter, Afferl, Teddy, Mopsl und Fredl. Und Walter Jens hat nie den Eimsbütteler Sturm
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