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Wortstoffhof

Wortstoffhof

Titel: Wortstoffhof
Autoren: Axel Hacke
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Ressourcen wie Öl oder Wasser. Der Buchstabenhandel war frei, die globalen Buchstabenvorräte schienen unerschöpflich. Erst kürzlich sah ich im Fernsehen einen interessanten Beitrag über die Unterschiedlichkeit der Buchstabengewinnung auf der Welt: Türkische Bergleute müssen die in ihrem Land so dringend benötigten Üs in harter Schufterei aus tausend Meter tiefem Gestein in den mitteltürkischen Bergwerken um Sülüklü, Mülk und Gündüzler schlagen; Finnen haben ihre Is, Ös und Äs, ohne die sie den »Giroverkehr« nicht tilisiirtoliike und die »Bügelanstalt« nicht prässäämö nennen könnten, aus dem gefrorenen Boden Nordfinnlands zu hacken. Aber in unseren gesegneten Breiten wächst das butterweiche fränkische Lodda-Maddäus-D auf Plantagen zwischen Nürn- und Bamberg und muss nur von zarter Fränkinnenhand gepflückt werden.
    Nur das T … Wie umkämpft es ist! Wie rar!
    In Österreich gab es vor Jahren einen Prozess um ein T oder jedenfalls ein t, welches eine Firma namens Holland Blumen Markt im Namen zu führen glaubte berechtigt zu sein. Indes verbot der Oberste Gerichtshof dem Holland Blumen Markt das t, handele es sich doch hier nicht um einen Markt, sondern um ein Blumengeschäft. Der Holland Blumen Markt musste sich dem Urteil beugen und tat dies,indem er sich seitdem Holland Blumen Mark nennt, im Vertrauen darauf, dass die Kunden das Fehlen des t einfach nicht zur Kenntnis nehmen und statt Mark weiterhin Markt lesen.
    So gesehen, könnte man natürlich überall Buchstaben sparen, Wörter verkürzen, es dem Leser überlassen, sie im Kopf zu komplettieren, denn der Mensch, flüchtig wie er ist, tut das bei Lesen ganz automatisch: unvollstndige Wörer ergänzn.
    Nun aber Folgendes: Die Telekom hatte vor einer Weile Erfolg bei einem Rechtsstreit mit einer Agentur namens Team-Konzept, in dessen Verlauf sie verlangte, Team-Konzept solle für sich nicht mehr mit einem T auf einem abgerundeten roten Quadrat werben. Es gehe darum, sagte Telekom-Manager Althoff, »unser Markenrecht am T zu verteidigen«, man müsse »streng darauf achten, dass das T nur für die Deutsche Telekom und seine Produkte steht«.
    Das ist ja nun interessant.
    Hat es das schon gegeben, dass eine Firma sich einen Buchstaben allein unter den Nagel reißt? Wohin soll das führen, wenn IBM, BMW, BASF auf diese Idee kommen? Oder die USA? Wenn George W. Bush angefangen hätte, sein Markenrecht an diesen drei Buchstaben zu verteidigen, wäre es ja mit einem Prozess nicht getan gewesen. Da hätte dann gleich ein Flugzeugträger vor der Tür gestanden. »99 Prozent der Bundesbürger verbinden mit dem T die Deutsche Telekom«, sagte Herr Althoff. Das könnte ihm so passen. Wir denken bei T immer zuerst an einen schönen, einfachen Buchstaben aus zwei Strichen, den wir beim Scrabble benötigen, um Wörter wie Tau und Tag und Tod zu bilden, auch Thukydides, Torwart-Titan und Tatterich. Wir denken an das T-Shirt, die Tram und Täterä.
    An die Delekom denken wir nicht.
    Aber es ist uns seit diesem Rechtsstreit im Jahr 2003 aufgefallen, dass die Ts knapp geworden sind, dass da jemand im Hintergrund Vorräte anlegt und jedes T vom Markt kauft, das er bekommen kann. Manchmal möchte man zum Beispiel den Namen eines bekannten Grünen-Politikers schreiben oder ein anderes Wort für Bürgersteig, doch es geht nicht, es gibt keine Ts, man schreibt Driddin oder Droddoir. Wir sind keine Droddel, Delekom! Wir ergeben uns nichd der Dyrannei! Wenn Du einen Buchsdaben für dich allein willsd, denk dir einen neuen aus. Die alden aus dem ABC gehören alle uns.
TALLINN
    Als ich klein war, spielte mein Vater mit mir immer Hauptstadtraten, ein simples Spiel, vor allem für Vater.
    Er sagte: »Italien.«
    Ich sagte: »Rom.«
    Er sagte: »Peru.«
    Ich sagte: »Lima.«
    Oder anders herum. Er sagte: »Oslo.«
    Ich sagte: »Norwegen.«
    Er sagte: »Südafrika.«
    Ich sagte: »Pretoria.«
    So ging das. Und ich liebte es. Irgendetwas tief in mir drinnen liebt es immer noch, aber niemand spielt es mit mir. Paola nicht. Luis nicht. (Er ist ein Hauptstadtignorant, Hauptstädte sind ihm vollkommen gleichgültig, es ist wirklich besorgniserregend.) Und Bosch auch nicht. (»Stell mich ins Wohnzimmer!«, sagt er. »Damit ich auch mal fernsehen kann. Vorher spiele ich gar nichts.«)
    Nun schrieb mir kürzlich Herr G. aus Walluf, sein Sohn habe im ADAC-Länderlexikon geblättert und …
    Das fand ich schon mal gut. Dass es ein ADAC-Länderlexikon gibt. Und dass dieser
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