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Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Titel: Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)
Autoren: Götz W. Werner
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Erziehungsmethoden aus ihrer eigenen Kindheit in Schlesien mitgebracht. Da ging es nach dem Motto: »Gelobt sei, was hart macht.« Mein Vater hatte etwas mehr Geduld mit mir und hat angesichts meiner schwachen schulischen Leistungen eines Tages klugerweise gesagt: »Lernen musst du woanders. Schule ist nichts für dich. Abitur brauchst du nicht. Sieh zu, dass du irgendeinen Abschluss machst, damit du dann möglichst noch einen Handelsschulweg einschlagen kannst.« Genauso habe ich das dann auch gemacht. Schließlich war er 42 Jahre älter als ich, hatte also ausreichend Erfahrung, und ich wollte und sollte ohnehin eines Tages seine Drogerie übernehmen.
    So ging ich als 16-Jähriger nach Konstanz und machte dann bei der Drogerie Kornbeck in der Kanzleistraße eine Lehre als Drogist. Vier Jahre blieb ich dort, hatte ein kleines Zimmer in der Innenstadt und – wenngleich ich hin und wieder nach Heidelberg fuhr – genoss das selbstständige Leben in der Ferne. Man muss bedenken: Damals war die Entfernung noch gewaltig. Heidelberg – Konstanz war eine Weltreise. Es gab weder Internet noch Intercity. Wenn man telefonieren wollte, musste man – anders als heute – das Telefongespräch »anmelden«. Den Kontakt zu meinem Freund Uli hielt ich, weil wir uns trafen, wenn ich in Heidelberg war, und indem wir Briefe schrieben.
    In Konstanz hatte ich meine erste feste Freundin. Wilma war fünf Jahre älter als ich und eine Frau, um die mich alle beneideten. Diese Beziehung war nicht von Dauer. Aber wir sind unser Leben lang bis zu ihrem Tod befreundet geblieben.
    Ansonsten bot mir die Stadt am Bodensee vor allem das, was ich am meisten liebte: Wasser – und einen erfolgreichen Ruderklub. Der Ruderverein »Neptun« blickte damals auf eine 75-jährige Vereinsgeschichte und zahlreiche Erfolge auf nationaler und internationaler Ebene zurück. Aus dem Club gingen mehrere Deutsche Meister hervor, auch Europa- und Weltmeister sowie zahlreiche Olympiateilnehmer bis hin zu Goldmedaillengewinnern.
    Zu meiner Zeit waren dort zwei Trainer aktiv, die in der Rudergeschichte legendär waren und sind: Ludwig Marquardt und Karl-Heinz Bantle. Bantle trainierte die Männer, darunter das ebenfalls legendäre Ruderer-Duo Dieter Bender und Günter Zumkeller, die 1962 Weltmeister geworden waren. »Ludi« Marquardt trainierte uns Jugendliche. Im April 1963 tauchte plötzlich ein junger Österreicher im Club auf: Günter Bauer, den wir »Pepi« nannten. Zwei Wochen älter als ich und 12 Zentimeter größer, was nicht ganz leicht war, immerhin war ich selbst schon 1,86 groß.
    Unschlagbar: das technisch sauberste Ruderpaar
von Deutschland
    Pepi hatte in Krems an der Donau eine Lehre als Einzelhandelskaufmann abgeschlossen und war nun von der Hertie-Personalabteilung nach Konstanz geschickt worden, weil dort gerade ein neues Hertie-Kaufhaus eröffnet hatte. Er hatte beim Steiner-Ruderclub in der Wachau das Rudern gelernt und war bereits zweimal österreichischer Jugendmeister im Doppel-Zweier geworden. Ludi Marquardt setzte den langen Kerl zu mir ins Boot und ließ uns anderthalb Stunden auf dem Untersee mit permanenten Temposteigerungen trainieren. Dann entschied er: »Ihr beide fahrt ab morgen zusammen Doppel-Zweier!« Fortan trainierten wir jeden Tag, natürlich immer erst nach Feierabend, weil wir ja beide bis zur Ladenschließung arbeiten mussten. Schon nach einem Monat ruderten wir die erste Regatta und räumten dann nach und nach alles ab, was es zu gewinnen gab.
    Wir waren unschlagbar. Als wir nicht nur die Deutsche Jugendmeisterschaft, sondern auch noch den Jugend-Fünfländerkampf (Deutschland, Italien, Frankreich, Schweiz, Belgien) gewannen, bejubelte uns das Fachblatt Rudersport als das »technisch sauberste Ruderpaar von Deutschland«.
    Aber was so großartig klang, war eigentlich ein Abgesang auf veraltete Rudertechnik: Denn auch der Rudersport erlebte damals einen Umbruch. In seinen Anfängen war Rudern ein Elitensport gewesen. Da war Schönheit wichtiger als Tempo. Da ruderte man nicht so, dass man aus der Puste kam, sondern pflegte einen eleganten Ruderstil. Die legendäre italienische Moto-Guzzi-Achter-Rennmannschaft soll noch auf der Olympiade 1936 ihr Boot mit Zigarillos im Mundwinkel zu Wasser gebracht haben.
    Alles änderte sich ab den späten 1950er Jahren. Da entwickelte Karl Adam, der »Ruderprofessor vom Ratzeburger See«, auf Basis eigener theoretischer Überlegungen und experimenteller Untersuchungen neue
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