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Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Titel: Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)
Autoren: Götz W. Werner
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dürfen. Dafür hat er sogar einen gut bezahlten Job im Hertie-Kaufhaus Lörrach aufgegeben. Er hat dann sehr hart für die Olympischen Spiele in Mexiko 1968 trainiert, aber als das mit der Teilnahme nicht klappte, hat er sich wieder für die Arbeit entschieden und einen Job bei Hofer, dem österreichischen Aldi, angenommen. In ein Ruderboot stieg er seither nie wieder.
    Auch ich gab das Rudern für lange Zeit auf. Im Mittelpunkt stand nun auch bei mir die Arbeit. Die folgenden vier Jahre arbeitete ich- bis auf eine 18-monatige Wehrdienst-Unterbrechung im Sanitätsdienst bei der Bundeswehr – zielstrebig darauf hin, möglichst viel Berufserfahrung zu sammeln, immer mit dem Ziel, die Drogerie meines Vaters zu übernehmen. Er würde 1967 seinen 65. Geburtstag feiern und hatte angekündigt, dann in den Ruhestand zu gehen.
    So verbrachte ich nach der Lehre in Konstanz jeweils mehrere Monate als eine Art Volontär in drei verschiedenen Drogerien, zuerst in Wuppertal in einer großen Drogerie mit Parfümerie und Fotogroßhandel, dann in Saarbrücken in einem Fotogeschäft und schließlich in Hannover beim Filialbetrieb Schmelz. Da habe ich sicher am meisten gelernt. Das waren rund vierzig Reformhäuser, die sehr professionell geführt wurden, obgleich man ja noch in den seligen Zeiten der Preisbindung lebte und moderne Managementmethoden noch keinen Einzug in die Branche gehalten hatten. Aber einer der dortigen Geschäftsführer, Herr Brandenburger, war zuvor Manager bei Aldi gewesen und arbeitete mit Kennzahlsystemen, Quadratmeterumsatz und Flächenleistung. Das alles habe ich dort kennengelernt.
    Eine Art Wetterleuchten: das Harzburger Modell
    Zum Abschluss dieser Wanderjahre ging ich noch für drei Monate auf einen Führungslehrgang nach Bad Harzburg. Damals sind alle geradezu nach Bad Harzburg »gepilgert«.
    Dort hatte ein gewisser Professor Reinhard Höhn 1962 die »Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft« gegründet. Seine Prinzipien des sogenannten Harzburger Modells prägten damals und die folgenden zwanzig Jahre das Denken in den deutschen Unternehmen. Im Mittelpunkt stand ein pyramidenförmiges Organigramm und für jede Position eine präzise Stellenbeschreibung, anhand der die Aufgaben und Verantwortlichkeiten eines jeden Mitarbeiters exakt abgegrenzt wurden. Per Dienstanweisung und Erfolgskontrolle – das waren zwei Schlüsselbegriffe des Harzburger Modells – wurde dann einerseits sehr genau definiert, was ein Mitarbeiter zu tun und zu lassen hatte, andererseits wurde ihm im Rahmen dieser definierten Grenzen die Verantwortung überlassen. »Delegation von Verantwortung« war vielleicht das wichtigste Schlagwort aus der Harzburger Führungsschule.
    Was heute scheinbar banal klingt, war damals revolutionär. Bis dahin galt ja eher die Führungsdevise: »Überlassen Sie das Denken den Pferden, die haben nämlich größere Köpfe!« Mein Vater hat noch von seiner »Gefolgschaft« gesprochen. Der einzelne Angestellte hatte wenig zu melden. Der patriarchalische Führer zog alle Entscheidungsmacht an sich. Wenn ein Mitarbeiter irgendetwas selbstständig machte, hieß es sofort: »Warum haben Sie mich nicht gefragt?« Eigenständig arbeitete da keiner. Man musste erst den Chef fragen. Oder antizipieren, wie der Chef darüber dachte. Maßstab war immer der Vorgesetzte.
    Durch die Delegation der Verantwortung, wie es das Harzburger Modell vorsah, bekam der Mitarbeiter einen Bereich, den er selbstständig zu verantworten hatte. Plötzlich war nicht mehr der Chef der Maßstab, sondern man musste sich selbst die Frage stellen, was richtig und was falsch war. »Management by objectives« nannte man dann die damit zusammenhängende Führung durch Zielvorgaben: »Bis zu Termin X müssen Sie soundsoviel Produkte verkauft und soundsoviel Gewinn erwirtschaftet haben. Der Weg dahin ist Ihnen überlassen.«
    Das war zwar schon so eine Art Wetterleuchten für das, was sich später auch bei dm an neuen partizipativen Führungsmodellen herausbildete – aber eben auch nicht sehr viel mehr. Das Harzburger Modell war extrem bürokratisch und starr, im Kern geprägt von militärischen Denkweisen – sozusagen eine Unternehmensführung nach Clausewitz. Das führte schon früh zu Kritik. Als in den 1980er Jahren herauskam, dass Höhn nicht nur ein alter Generalstäbler, sondern in besonderem Maße in das Hitler-Regime verstrickt gewesen war, nämlich als Abteilungsleiter im Reichssicherheitshauptamt und SS-Oberführer,
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