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Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Titel: Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)
Autoren: Götz W. Werner
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eine Geschichte ihren Weg nimmt und
worauf sie hinausläuft
    Wenn ich heute vor unseren Filialleitern stehe, dann frage ich manchmal: »Wer von Ihnen hat eigentlich bei uns seine Ausbildung gemacht?« Sehr viele Finger gehen dann hoch. Und nun sage ich: »Erinnern Sie sich noch daran, wie Sie damals waren? Das hätte Ihnen vermutlich keiner zugetraut, dass Sie einmal eigenverantwortlich eine Filiale mit zwanzig, dreißig und mehr Mitarbeitern leiten!«
    Die dm-Geschäftsführung besteht heute aus neun Persönlichkeiten. Davon haben vier als Studenten im dualen Studium bei uns angefangen. Und der Fünfte kam als 19-Jähriger, als abgebrochener Jurastudent aus Österreich. Das ist heute der Vorsitzende der dm-Geschäftsführung, mein Nachfolger. Wer hätte das jemals vorhergesagt?
    Und ich selbst? In der Schule sitzengeblieben, nach elf Schuljahren abgegangen. Deutscher Jugendmeister im Rudern, Drogist gelernt, Prokurist geworden. Verstoßener Sohn. Realträumer. Gründer wider Willen. Nach 35 Jahren ein Unternehmen mit 30 000 Mitarbeitern, 2000 Filialen und fast fünf Milliarden Umsatz an die Nachfolger übergeben. Zweimal verheiratet. Vater von sieben Kindern. Großvater. Universitäts-Professor. Pionier für die Idee des Grundeinkommens. Stifter. Buchautor.
    Wer hätte damit rechnen wollen?
    Ein Kind lernt nicht an einem einzigen Tag das Laufen. Es läuft einfach irgendwann. Dann staunen alle: Oh, das Kind kann laufen. Manche behaupten: Es hat heute laufen gelernt. Und auch das Kind selbst erkennt: Ich kann laufen! Zwanzig Jahre später wird es Olympiasieger im Hundert-Meter-Lauf. Dann schaut es zurück: Woher kommt der Erfolg? Was habe ich da eigentlich gemacht? Wieso weiß ich, wie das geht?
    Der Weg zum Erfolg wird erst im Nachhinein erkennbar. Wenn ich heute zurückblicke, kann ich nur sagen: Ich hatte sehr viel Glück. Hätte damals mein Chef im ersten Anlauf meinem Konzept zugestimmt, wäre alles anders gekommen. Nur weil er meine Ideen ablehnte, bin ich Unternehmer geworden. Hätte ich dieselbe Idee ein paar Jahre oder nur ein paar Monate früher oder später gehabt, wer weiß, wohin mich mein Weg geführt hätte.
    In einem jedoch bin ich mir sicher: In jedem Fall würde ich jetzt auf ein Unternehmen zurückschauen. Denn jeder Mensch ist ein Unternehmer – ein Lebensunternehmer. Jeder Mensch schreibt seine eigene Biographie. So unberechenbar wie ein Unternehmen ist auch ein Leben, aber beides ist gestaltbar. Wichtig ist, sich das bewusst zu machen. Sobald ich das tue, schaue ich anders in die Welt. Jeder Tag, jede Aufgabe beurteile ich anders, schließlich ist alles, was ich tue, Teil meiner Biographie. Und ich investiere stets meine Lebenszeit.
    Unternehmerschaft braucht die Kraft zur Vorausschau. Jeder Mensch hat die Fähigkeit, vorwegzunehmen und zumindest in den Blick zu nehmen, was auf ihn zukommt. Diese Fähigkeit braucht es. Nur dann kann man sich einen Gestaltungsspielraum eröffnen und sinnvoll nutzen.
    Beim Blick in die Zukunft zeigt sich: So wie wir heute leben, so wie wir heute konsumieren, können wir nicht weitermachen. Das wird immer mehr Menschen bewusst. Viele fragen sich schon heute: Was ist das für ein Unternehmen, bei dem ich einkaufe? Wen unterstütze ich mit meinem Kauf? Diese Fragen gab es vor zwanzig Jahren nur selten. Inzwischen werden sie immer häufiger gestellt.
    Kann sich ein Unternehmen Nachhaltigkeit auf die Fahne schreiben und zeitgleich Millionen in Werbung investieren, die Kunden zum Kauf von Produkten verführen soll, die sie nicht benötigen? Können wir tatsächlich nachhaltiges Handeln fordern, ohne beim »überflüssigen« Konsum Abstriche zu machen?
    Bislang fokussieren die meisten Menschen sich fast ausschließlich auf das Materielle. Das hat zu enormem Wohlstand geführt. Inzwischen leben wir materiell im Überfluss. Dagegen gibt es im Sozialen, im Zwischenmenschlichen einen enormen Mangel. 99 Prozent der Probleme, die wir haben, sind soziale Probleme. Im Sozialen ist jeder gefordert. In jeder Situation geht es darum, die Bedürfnisse seiner Mitmenschen – seien es Eltern, Kinder, Partner oder Freunde – zu erkennen und eigeninitiativ für sie tätig zu werden. Sobald Mangel und Überfluss gleichzeitig auftreten, ist es nötig zu handeln. Wer sich dies klar macht, weiß: Immer wenn Menschen zusammenkommen, gibt es etwas zu tun. Oder anders gesagt: Zahnpasta verkaufen kann jeder. Doch Zahnpasta mit anderen Menschen für andere Menschen bereitzuhalten, das ist eine
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