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Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Titel: Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)
Autoren: Götz W. Werner
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Wirtschaftskreisen mitleidige Blicke, und irgendjemand stellte die Frage: »Wollen Sie wirklich schon Ihr Lebenswerk aufgeben?« Da nickte ich freundlich und antwortete: »Ein Lebenswerk wird ja erst dann zum Lebenswerk, wenn es so angelegt ist, dass es von anderen weitergeführt werden kann.«
    Eine Stiftung sichert die Zukunft des Unternehmens
    Genau deswegen machte ich mir auch frühzeitig Gedanken über die formale Ausgestaltung des dm-Drogeriemarktes, wobei ich wertvolle Anregungen von meinem Freund Benediktus Hardorp bekam. Denn voller Sorge blickte ich auf den Umstand, dass die Rechtsform von dm, eine GmbH, zahlreiche Schwächen aufwies. Denn all die Jahre hatte es ja zwei gleichberechtigte Gesellschafter gegeben, Günther Lehmann und mich, die wir jeweils fünfzig Prozent hielten. Was aber würde geschehen, wenn einer von uns beiden sterben würde? Wie würden die Erben mit der Verantwortung fertig werden?
    Immerhin habe ich sieben Kinder. Sie verstehen sich gut, aber der Volksmund lästert vermutlich nicht zu Unrecht: »Sie verstehen sich gut? Dann haben sie wohl noch nicht geerbt?« Nun werde ich zwar in vielen Wirtschaftsgazetten als einer der reichsten Deutschen tituliert. Aber es ist keineswegs so, dass ich jeden Morgen wie Dagobert Duck in ein Schwimmbecken voller Goldmünzen springe. Mein Vermögen steht auf dem Papier und besteht aus den dm-Anteilen. Ich könnte das Geld nur ausgeben, wenn ich im Gegenzug dm verkaufen würde.
    Selbst wenn meine Kinder zusammen mit allen Schwiegerkindern, also möglicherweise 14 juristisch beteiligte Personen, gemeinsam in großer Einigkeit die Idee des organisch gewachsenen Unternehmens fortführen wollten, würden sie, nur um die Erbschaftssteuer zu bezahlen, Anteile verkaufen müssen. Das allein könnte das Ende von dm bedeuten.
    Und so folgte ich dem Rat von Benediktus Hardorp, rief die dm-Werner-Stiftung ins Leben und übertrug ihr all meine Anteile an dm. Mein Anliegen war und ist es, damit auf lange Sicht – und eine Stiftung besteht »für die Ewigkeit« – die bestmögliche Grundlage für das Unternehmen zu schaffen. Das Geld ist bei dm verdient worden, und es soll auch dm zur Verfügung stehen.
    Die Stiftung stellt sicher, dass weiterhin die Geschäftsführung nur so viel Überschuss anstrebt, wie das Unternehmen für seine wirtschaftliche Stabilität benötigt. Wenn ausreichend in die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens investiert wurde, kommen die Gewinne gemeinnützigen Zwecken zugute. Durch die Stiftungssatzung ist sichergestellt, dass das auch so bleibt, wenn ich die Leitung der Stiftung, die ich derzeit noch selbst innehabe, an einen Stiftungsrat übergebe. Zugleich ist dadurch dieser Unternehmensanteil nicht mehr verkäuflich, also jeder privaten Verfügung entzogen. Denn eigentlich ist der Kunde der Eigentümer unserer Marke. Solange dm aus eigener Kraft überlebt, weil die dort wirkenden Menschen miteinander füreinander dienlich sind, kann niemand dem Unternehmen etwas anhaben.
    Für die Stiftungsgründung gab es noch ein weiteres Argument, das mich mehr als Vater denn als Unternehmer umtrieb: Aus Sicht meiner Kinder war dm mein Leben, nicht ihres . Für mich war dm eine selbstgewählte Aufgabe, mit der ich wachsen konnte. Ich wollte meinen Kindern nicht eine Bürde hinterlassen, die verhindert, dass sie ihren eigenen Lebensweg finden und bestreiten können. Sie sollen nicht Zahnpasta verkaufen müssen, nur weil ihr Vater Zahnpasta verkauft hat. Wer immer in die Fußstapfen anderer tritt, der hinterlässt keine Spuren.
    Ein Journalist hat einmal vor meinem Sohn in überspitzter Weise geunkt, die Kinder vom Herrn Werner müssten ja jetzt am Hungertuch nagen. Da ging mein Sohn energisch dazwischen: »Haben Ihre Eltern Ihnen ein Unternehmen vererbt?« Der Journalist schüttelte irritiert den Kopf. »Nagen Sie am Hungertuch?« Der Journalist schüttelte erneut den Kopf. »Warum soll ich dann am Hungertuch nagen?«
    Denn darum geht es doch bei allem, was wir tun: dass die Menschen Entwicklungsmöglichkeiten haben. Wenn wir ins Leben starten, wissen wir doch gar nicht, was aus uns wird. Meine Kinder werden ihren Weg finden müssen, wie jeder andere auch – und meines Wissens sind sie ganz froh, dass sie das dürfen.

Genialität erfindet durch Hinwegschreiten über die Übergänge: Die klare Einsicht in den zurückgelegten Weg kommt später und bildet erst den freien Künstler.
Johann Gottlieb Fichte
    E PILOG
oder warum man erst hinterher weiß,
wie
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