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Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Titel: Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)
Autoren: Götz W. Werner
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sich für den Gedanken eines unternehmerisch handelnden Menschen zu öffnen. Denn das ist die Voraussetzung des Grundeinkommens, dass jeder Mensch sein eigener (Lebens-)Unternehmer wird und das Grundeinkommen ihm die Entwicklung und Verwirklichung seines individuellen Realtraumes ermöglicht.
    Es traf sich gut, dass ich 2008, wie drei Jahre zuvor angekündigt, tatsächlich aus der Geschäftsleitung ausschied. Zum Glück hatte ich ja schon als junger Mann bei meinem Vater anschaulich erleben dürfen, wie schwer eine solche Übergabe sein kann, wenn man sich nicht ordentlich darauf vorbereitet. Viele Unternehmer haben das Problem, dass sie ihren potenziellen Nachfolgern den Job nicht zutrauen – und deshalb versuchen sie, solange wie möglich zu bleiben. Deswegen hatte ich mir schon an meinem 60. Geburtstag fest vorgenommen und laut verkündet, dass ich 2008 mein Büro räumen würde.
    Genau das tat ich am 16. Mai 2008: Ich räumte das Büro. Die Leute sollten sehen: Der Werner, der sitzt da jetzt nicht mehr. Nachdem ich all die Jahre zuvor so viel Energie investiert hatte, damit die Filialen und die Mitarbeiter an die Macht kamen, wollte ich nun der Illusion entgegenwirken, ich würde auch nach meinem Weggang weiter auf die Geschehnisse bei dm direkten Einfluss nehmen wollen. Bei Licht betrachtet hatte sich mein Abschied genauso organisch wie alles andere bei dm entwickelt. Seit dem ersten Tag als Pionier musste ich im Laufe der Zeit immer mehr Verantwortung abgeben, um erfolgreich zu sein. Denn bei allem Erfolg, den wir hatten, wuchsen mir die Aufgaben beständig über den Kopf. Ich hatte gar keine andere Wahl, als in solchen Phasen andere Menschen in die unternehmerische Verantwortung zu bringen, anderen das Zutrauen zu schenken. Jetzt ging ich einfach den nächsten Schritt, wie ein Blatt, das vom Baum fällt.
    Ich hatte sorgfältig auf den Punkt der Übergabe hingearbeitet. Schon 2004 war ich auf Erich Harsch zugegangen: Ich trage mich mit dem Gedanken, in ein paar Jahren auszusteigen. Ich halte Sie für geeignet, die Rolle des Vorsitzenden der dm-Geschäftsführung zu übernehmen. Was halten Sie davon, jetzt schon mal mein Stellvertreter zu werden?« Erich Harsch dankte für das Vertrauen, bat sich aber etwas Bedenkzeit aus und kam dann wenige Tage später wieder zu mir: »Also, Herr Werner, das ist sehr schön, dass Sie mir diesen Job zutrauen. Aber mir wäre eigentlich viel wichtiger, dass nicht Sie das denken, sondern dass die Geschäftsführungskollegen so denken.« Er bat mich, ihn nicht aus dem Team rauszudeuten, sondern lieber die Frage nach dem Stellvertreter offen zur Diskussion zu stellen und dann abzuwarten, was passiert.
    Genauso handhabten wir das. Und so kam ein dm-typischer Prozess zustande, in dem sich nach einigen Diskussionen die Gruppe tatsächlich auf Erich Harsch verständigte, der die nächsten Jahre zunächst mein Stellvertreter wurde. Aus verschiedenen Gründen, unter anderem weil wir in Stuttgart bessere Schulen für unsere Kinder fanden, zogen meine Familie und ich 2005 nach Stuttgart. Das half allen Beteiligten – mir, aber auch allen Kollegen –, schon einmal ein bisschen auf Abstand zu gehen. Ich fuhr immer seltener, nicht mehr jeden Tag nach Karlsruhe. Und so konnten wir miteinander lernen, erfahren und trainieren, wie die dm-Geschäfte auch ohne die Anwesenheit des Gründers wunderbar weiterliefen.
    Der Rückzug aus dem operativen Geschäft vollzog sich also innerhalb mehrerer Jahre, und ich arbeitete bewusst und sorgfältig auf den Punkt der Übergabe hin. Insofern war es dann tatsächlich eine Art Befreiung, als ich den Staffelstab in letzter Konsequenz an meinen Nachfolger weitergab.
    Konkret merkte ich das daran, dass ich von einem Tag auf den anderen aufhörte, Fingernägel zu kauen. Mein Leben lang hatte ich wohl unter der allgemeinen Last der Verantwortung an den Nägeln geknabbert. Jetzt war es damit vorbei. Als normales Mitglied des Aufsichtsrates verfolge ich noch – mit wachem Verstand und kritischem Blick, wie es sich für ein Aufsichtsratsmitglied gehört –, was bei dm geschieht. In die konkreten Entscheidungen mische ich mich aber nicht ein. Trotzdem lasse ich mir die alte Angewohnheit nicht nehmen, wenn ich auf einer Reise an einer dm-Filiale vorbeikomme, den Laden zu betreten und das Gespräch mit den Mitarbeitern zu suchen. Bislang wissen sie noch, wer »Herr Werner« ist.
    Gelegentlich trafen mich in den ersten Jahren meines »Rentnerdaseins« vor allem in
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