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Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Titel: Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)
Autoren: Götz W. Werner
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unterschiedlicher Mietpreise und Lohnkosten dadurch auszugleichen, dass er mit der Industrie individuelle Einkaufskonditionen aushandelt: Wer 500 Packungen einer Zahncreme ordert, zahlt einen günstigeren Stückpreis als derjenige, der nur 10 bestellt. Oder das Zahlungsziel verlängert sich: Der Händler muss die Rechnung des Herstellers nicht sofort, sondern erst in einem halben Jahr bezahlen. Oder es gibt irgendwelche Rabatte, etwa dass man gemischte Pakete mit kombinierten Produkten zum Vorzugspreis bekam. Besonders beliebt war der Naturalrabatt, bei dem man bei einer gewissen Bestellmenge eine zusätzliche Menge des Produktes ohne Berechnung dazu erhielt.
    Kurz: Die Spielräume des Handels waren begrenzt. Die Macht der Hersteller hingegen war groß. Dem wollte man durch das »Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen« entgegenwirken, das 1965 erstmals in Kraft trat und fortan ständig novelliert wurde. Die siebte und bislang letzte Novelle gab es 2005, als eine Angleichung an das EU-Wettbewerbsrecht erfolgte. Anfang der 1970er Jahre, man war bei der zweiten Gesetzesnovelle, stand ein grundsätzliches Verbot der Preisbindung ins Haus, die bis dahin bei Markenartikeln die Regel war. Natürlich gab es entsprechende Diskussionen, und viele hielten das Gesetz gar nicht für durchsetzbar. Deswegen wurden die alten Praktiken mit Vehemenz fortgeführt. Ich aber war davon überzeugt, dass das Gesetz beschlossen und in Kraft treten würde. Und dann würden die Menschen sich nicht mehr in den traditionellen Theken-Drogerien teure Markenartikel über den Tresen reichen lassen, sondern in modernen Selbstbedienungsläden eigenhändig die günstigsten Angebote heraussuchen wollen.
    Deswegen sprach ich mit den mir bekannten Banken, um einen Kredit zu bekommen. Damals gab es für Festgeld 15 % Zinsen; für einen Kredit musste man ca. 17 % zahlen. Ich war zu allem bereit. Doch Sparkasse und Volksbank winkten gleich ab: »Nein, nein, bei uns kriegen Sie keinen Kredit!«
    Allein die Deutsche Bank wies mir nicht sofort die Tür, sondern der Berater, Herr Heil, war schlau genug, um auf Zeit zu spielen. Tausend Mal habe ich gefragt: »Wann kriege ich denn endlich den Kredit?«, Woche um Woche wurde ich vertröstet: »Ja, wir müssen noch …, Sie wissen doch, hier in Karlsruhe … Das muss erst nach Frankfurt, Deutsche Bank …«
    Rauchende Kassen und
der schnellste Kassierer der Welt
    Die Zeit lief. Ich konnte nicht länger warten. Im Sommer 1973 wusste ich: »Jetzt oder nie!« Dort, wo einst das Stammgeschäft der Firma Roth gewesen war, in der Herrenstraße 26–28 in Karlsruhe, war nach dem Umzug das Ladengeschäft frei. Kurz entschlossen unterschrieb ich den Mietvertrag. Da ich von Anfang an fest vorhatte, mehr als diesen einen Laden aufzumachen, suchte ich einen Mitstreiter, der bereit war, auf lange Sicht das Geschäft allein zu führen, damit ich mich um die Eröffnung weiterer Läden kümmern könnte. In Armin Föll, einem früheren Kollegen aus der Firma Roth, fand ich jemanden, der mein Konzept verstand und den Mut hatte, sich als Mitgesellschafter auf das Experiment einzulassen. Er leitete das Geschäft bis zu seiner Pensionierung mit großem Erfolg.
    Noch Anfang des Jahres 1973 hatten der Drogistenverband und auch die Fachpresse beharrlich behauptetet, die Preisbindung würde bestehen bleiben und nur die Vertriebsbindung würde verboten. Nun, sie irrten. Wie ich es geahnt hatte, fiel die Preisbindung. Im Juli wurde das Gesetz beschlossen und sollte zum 1. Januar 1974 in Kraft treten. Am 28. August feierten wir Eröffnung.
    Statt der damals üblichen 60 Quadratmeter hatte unser erster Laden, den wir schlicht »dm – drogeriemarkt« nannten, satte 190 Quadratmeter. Bei der Bedienung setzten wir radikal auf Selbstbedienung. Alle Artikel standen dem Kunden offen. Er griff die Ware selbst aus dem Regal und legte sie in seinen Korb oder Einkaufswagen, mit dem er dann zur Selbstbedienungskasse spazierte. Statt 10 000 Artikeln gab es nur 2000. Das entsprach derselben Relation, wie sie Aldi in der Lebensmittelbranche eingeführt hatte: Dort hatten die Albrecht-Brüder das Sortiment von den üblichen 3000 Artikel auf etwa 250 reduziert. Das zwang uns dazu, pro Artikel mehr Umsatz zu machen, aber wir vertrauten darauf, dass die Menschen ihre Ware lieber bei uns kaufen würden als andernorts, wenn sie den Preisunterschied wahrnahmen. Und dass wir dann eben nicht nur zwei, sondern zwanzig Tuben Zahncreme pro Tag verkaufen
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