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Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)

Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)

Titel: Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)
Autoren: Paul Beldt
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interessierte mich ihre Antwort nicht sonderlich, und hielt ostentativ die Zeitschrift vor mein Gesicht.
    »Ach, Berndchen«, seufzte sie nach einer kurzen Pause, ich wollte gerade den Fernseher einschalten, um ihr zu zeigen, dass mich ihre Antwort wirklich nicht im Geringsten interessierte.
    »Ich finde einfach«, erklärte sie, mühsam nach den richtigen Worten suchend, »du bräuchtest mal eine richtige Herausforderung, irgendetwas, das dich ausfüllt.«
    Sie blickte mich an wie eine liebevolle, allerdings zunehmend verzweifelte Mutter, die sich über die Entwicklung ihres Kindes erhebliche Sorgen machte.
    »Ach so«, rief ich, die Fernbedienung aufs Knie schlagend, ohne mir den Schmerz dabei anmerken zu lassen, »du findest also, meine Arbeit hier im Haus reicht nicht für einen anständigen Mann?«
    »Das habe ich doch gar nicht gesagt!«, erwiderte Jutta mit gespielter Empörung.
    »Aber du glaubst, es füllt mich nicht aus?«
    Sie schwieg und sah an die Wand. Ich sah ebenfalls an die Wand, als erhoffte ich mir von dort einen konkreten Hinweis auf eine adäquate Betätigung, die einen Mann von sechsundvierzig Jahren zuverlässig herausforderte.
    »Vielleicht solltest du dir ein Hobby zulegen«, fuhr sie zögernd fort.
    Ich hatte nie den Wunsch verspürt, meiner Langeweile durch Briefmarkensammeln eine Bedeutung zu geben. Wenn ich mich langweilte, langweilte ich mich so bewusst, dass mich meine Ratlosigkeit vollständig ausfüllte.
    »Wenn du Vorschläge hast, kannst du sie gerne schriftlich einreichen.«
    Ich machte den Fernseher an. Es lief eine Dokumentation über den Einmarsch der deutschen Wehrmacht in die Tschechoslowakei.
    Eine Weile verfolgten wir stumm die Truppenbewegungen.
    »Gunnar zum Beispiel«, sagte sie bei der kampflosen Einnahme Prags. Sie sah mich an, als würde allein die Nennung des Namens sie in Begeisterung versetzen. Gunnar war ein Arbeitskollege, der seine Freizeitgestaltung mit dergleichen Hingabe betrieb wie seine Arbeit. Statt still zu Hause zu sitzen und ein Buch zu lesen, musste er jede Minute irgendetwas unternehmen.
    Ich mochte Gunnar nicht.
    »Gunnar?«, tat ich ahnungslos, als hätte ich den Namen noch nie gehört.
    »Gunnar Fahrenkamp«, sagte Jutta mit einem leicht drohenden Unterton, »aus meiner Abteilung!«
    Ich nickte, ließ aber weiterhin offen, ob ich ihn kannte.
    »Er fängt dauernd was Neues an. Gerade gestern hat er mir erzählt, dass er jetzt seinen Drachenfliegerschein machen will. Ich finde es einfach toll, wenn man sich immer weiterentwickeln will.«
    Mir war nicht klar, wie man sich beim Drachenfliegen weiterentwickeln konnte.
    »Ja, und?«, fragte ich.
    »Er ist so alt wie du!«
    Ich war eigentlich froh, dass ich mich in meinem Alter nicht mehr beweisen musste. Spätestens seit dem Abschluss meines Studiums bemühte ich mich, meine Zufriedenheit nicht durch neue Ideen zu gefährden.
    »Ich bin so aber auch ganz glücklich«, gab ich vorsichtig zu Bedenken. War es verboten, mit seinem Leben glücklich zu sein?
    »Es muss doch noch irgendetwas geben, das du erreichen willst?«
    Ich dachte nach. In meinem ganzen Leben hatte ich nie etwas erreichen wollen und trotzdem wie durch ein Wunder alles erreicht, was man sich vorstellen konnte: Glück und Zufriedenheit. Gab es noch eine weitere Stufe?
    »Ich bin dir also zu langweilig«, sagte ich geradeheraus.
    »Das habe ich nicht gesagt«, widersprach Jutta mit einer Entschiedenheit, die mir sofort unglaubwürdig vorkam.
    »Ein Mann wie Gunnar wäre dir aber lieber«, beharrte ich.
    »Gunnar ist einfach ein klasse Typ. Okay, manchmal ist er unausstehlich, ich habe mich schon oft richtig mit ihm gestritten, aber das gehört nun mal dazu.«
    »Dann bin ich dir wohl nicht streitbar genug«. »Streitbar« gehörte bislang nicht zu meinem üblichen Wortschatz.
    Jutta sah mich lange an. In diesem Moment wusste ich, dass ich recht hatte. Dabei hatte ich immer angenommen, dass die Basis jeder guten Beziehung das gegenseitige Verständnis war. Einerseits mochte sie, dass ich mich nicht in den Vordergrund drängte, andererseits verlangte sie ein starkes Gegenüber, das ihr Kontra gab. Langsam ahnte ich, dass sie selber nicht so genau wusste, was sie wollte.
    »Nein«, erwiderte Jutta, »das ist es nicht.«
    »Was erwartest du dann von mir? Soll ich mich in Luft auflösen und dabei noch schnell einen Streit anfangen?«
    Sie schüttelte lächelnd den Kopf.
    »Das meine ich, du bist dir einfach zu unsicher.«
    »Weil ich mich nicht
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