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Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)

Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)

Titel: Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)
Autoren: Paul Beldt
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Blähungen lediglich am Wochenende genehmigte. Hier musste man einfach mit gutem Beispiel vorangehen. Wer auf Fleisch verzichtete, dabei selber aber ungehemmt weiterfurzte, durfte sich über den Klimawandel nicht beschweren.
    Anfangs hatte ich noch die Befürchtung, dass mir die häusliche Arbeit nicht liegen könnte, merkte jedoch schnell, dass ich kaum etwas lieber tat, als zu dekorieren und umzuräumen. Was sich in der Pressestelle bereits angedeutet hatte, setzte ich zu Hause im großen Stil fort: Ich machte es mir gemütlich. Einen Sessel konnte ich den ganzen Tag durchs Wohnzimmer rücken, ehe er dort stand, wo er nach meinen Vorstellungen hingehörte. Es musste eben alles stimmen, damit in mir das Gefühl wohliger Wärme entstand.
    Nur Jutta schien von meinen Bemühungen um ein schönes Heim nicht viel mitzubekommen. Das heißt sie bekam eigentlich überhaupt nichts mit. Wenn sie sich auf einen Stuhl setzte, ohne zu bemerken, dass er neu war oder zuvor an ganz anderer Stelle gestanden hatte, musste ich sie erst dezent darauf hinweisen. An Vasen mit üppigen Blumensträußen ging sie achtlos vorbei, und selbst mein Essen schlang sie wortlos herunter.
    Natürlich machte ich das alles nicht nur wegen meiner Frau, aber hin und wieder wollte ich meine Arbeit doch angemessen gewürdigt sehen. Gleichzeitig verschwanden die Zweifel über meine Beschäftigung nie ganz. Ich hatte immer ein bisschen das Gefühl, mich dafür entschuldigen zu müssen, dass ich zu Hause war und gerne den Haushalt führte.
    Wenn ich vormittags zum Einkaufen in den Feinkostladen am Roseneck ging, war ich der einzige Mann. Um diese Uhrzeit kauften nur verheiratete Frauen zwischen vierzig und fünfzig ein, deren Geländewagen verkehrswidrig in zweiter Reihe vor dem Geschäft parkten. Nicht nur der Umstand, dass ich mit dem Fahrrad kam und eine rote Signalweste plus Kopfschutz trug, machte mich bei ihnen verdächtig, sondern ebenso die Tatsache, dass ich mich von den Verkäufern erst ausgiebig beraten ließ, bevor ich ein kleines Stück Käse erwarb. Ich mochte es, wenn der Verkäufer die unterschiedlichen Käsesorten beschrieb und von »nussiger Ziege« oder »grasigem Schaf« sprach. Ich fühlte mich einfach wichtig genommen, obwohl ich lange Zeit kaum zwischen Ziegen- und Schafskäse unterscheiden konnte. Gerne ließ ich mir auch eine Scheibe zur Verkostung über die Theke reichen und bewegte kennerisch meine Kiefer. In den Augen der Frauen schien dies jedoch an einen Skandal zu grenzen. Ein Mann lutschte nicht kennerisch auf ihm dargebotenen Käseschnitzen. Irgendwann beschloss ich, den Laden nur noch mittags und mit einem Jackett bekleidet zu betreten. Mitunter wurde ich jetzt sogar vorgelassen. »Sie haben es doch bestimmt eilig!«
    Einmal die Woche ging ich in ein Blumengeschäft. Schon beim Aufstehen wurde ich von einer Unruhe gepackt, dass Jutta mich jedes Mal besorgt fragte, ob etwas passiert sei. »Es ist Mittwoch«, sagte ich und hob vielsagend meine Augenbrauen, »und am Mittwoch gehe ich immer Blumen einkaufen.« »Ach so«, meinte sie anscheinend überrascht, aber ich sah sofort, dass sie mit ihren Gedanken längst woanders war. In der Welt der Sitzungen und Ausschüsse, bei denen Entscheidungen getroffen wurden, die unser Land beeinflussten, während ich lediglich unser Zuhause verschönerte.
    Im Blumengeschäft tauchte ich derweil in meine eigene Welt ein, in die Welt der Farben und Gerüche. Sie war vollkommen nutzlos, weil sie nichts anderes vermittelte als angenehme Empfindungen. Aber deshalb liebte ich sie umso mehr. Jeder Mittwoch war ein Festtag für meine Sinne, und sie belohnten mich mit einer Extraportion Glücksgefühlen. Obwohl mich die Verkäuferin kannte, stellte sie zum Abschluss immer dieselbe Frage: »Soll ich es als Geschenk verpacken?« Offenbar lag es außerhalb ihrer Vorstellung, dass ich beabsichtigte, mich selbst damit zu erfreuen. »Ja, ja«, murmelte ich, um mir umständliche Erklärungen zu ersparen.
    Kurz nach meinem Einzug bei Jutta lernte ich Helga kennen. Helga wohnte im Haus nebenan und stellte sich gleich in der ersten Woche mit einer selbstgebackenen Sahne-Kirsch-Torte bei mir vor. Anscheinend hatte sie es kaum erwarten können, endlich auch tagsüber wieder mit jemandem aus der direkten Nachbarschaft reden zu können, quasi von Hausfrau zu Hausfrau. Dass ich ein Mann war, störte sie dabei irritierenderweise überhaupt nicht. Ich hatte nie besonderen Wert auf Nachbarschaftspflege gelegt. Als ich
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