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Wolke 8...

Wolke 8...

Titel: Wolke 8...
Autoren: Monika Kunze
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Herzchirurg in Fulda mich verstehen und meinem Mann helfen würde.
    Nichts ließ ich in meiner Verzweiflung aus: nicht den monatelangen Leidensweg meines Mannes, nicht die zahllosen Diagnosen, die sich letztlich alle als falsch erwiesen hatten, nicht die immer weiter eingeschränkten medizinischen Möglichkeiten in der sterbenden DDR.
    Wie groß war meine freudige Überraschung, als schon nach wenigen Tagen die Antwort aus Fulda in unserem Briefkasten lag. Mit hochroten Wangen las ich Zeile um Zeile des Briefes.
    Dieser Professor wollte meinen Mann tatsächlich untersuchen! Mein Herz jubelte!
    Endlich konnte ich mit meinem Mann über seinen tatsächlichen Zustand reden, ihm aber vor allem Hoffnung machen auf Heilung.
    „ Bist du mir böse, weil ich das alles hinter deinem Rücken getan habe?“
    Ich hatte keine Ahnung, ob mein Mann die Frage überhaupt verstanden hatte. Jedenfalls wartete damals vergeblich auf eine Antwort.
    Die notwendigen Formalitäten und die Kostenübernahme waren für damalige Verhältnisse sehr schnell geklärt. Es war Anfang September 1990 – ein paar Wochen vor der deutschen Einheit.
     
    Am 12. September 1990, 11.11 Uhr, startete dann ein Hubschrauber der Nationalen Volksarmee in Richtung Fulda. An Bord auch ein Arzt, eine Krankenschwester und mein sterbenskranker Mann.
    Ich stand vor dem Ungetüm von Hubschrauber und weinte hemmungslos.
    „Jetzt kommt die Rettung!“, sagte ich unter Tränen und Schluchzen zu meinem Mann, bevor sie ihn auf der Trage in das Innere des Hubschraubers schoben. Ich wusste selbst nicht, woher ich dieses plötzliche Vertrauen nahm.
    Später erzählte mir mein Mann, dass es ihm ganz ähnlich ergangen sei.
    „Plötzlich hatte ich Vertrauen“, sagte er. Nicht einmal der starke Nebel und die damit verbundene Zwangs-Zwischenlandung in Erfurt hätten es erschüttern können.
    Ich starrte immer wieder auf einen Zettel in meiner Hand. Der Pilot hatte mir die Route aufgeschrieben, die Zeiten dazu.
    Bei jedem Blick auf die Uhr dachte ich daran, wo mein Roland gerade sein mochte.
    Jetzt schaut er aus dem Fenster und erkennt das Hermsdorfer Kreuz, das Kraftwerk Thierbach. Dort hat er eine Zeit lang gearbeitet.
    Um 14.06 Uhr landete der Hubschrauber hinter dem Klinikum in Fulda.
    "Es hatte sich wohl herumgesprochen, dass
so ein großer Vogel aus der DDR angeflogen
käme - und deshalb fanden sich bestimmt ein paar mehr Leute als sonst am Landeplatz ein", vermutete mein Mann viel später.
    Dieser Armee-Hubschrauber war ja auch riesig und dunkelgrün, ein richtiges, laut knatterndes Ungetüm, im Vergleich zu den kleinen, wendigen Rettungsfliegern, die wir heute kennen.
    Alle meine Gedanken waren bei meinem Mann. Ob er sein Herz wieder spürt? Ob er Angst hat? Aber dass eine Herzkatheteruntersuchung vorgenommen werden soll, wusste er zu dem Zeitpunkt noch nicht.
    „ Diese Untersuchung ist zwingend notwendig, um heraus zu finden, wie schwer das Ausmaß der Herzmuskelerkrankung ist, ob man eventuell doch noch mit Medikamenten etwas ausrichten kann, ein operativer Eingriff – oder gar eine Transplantation notwendig ist“, erläuterte mir der Professor am Telefon.
    Ich stellte mir vor, wie der Katheter von der rechten Leiste aus durch die Arterie bis ans Herz geschoben wird.
    „ Zuschauen wollte ich nicht“, sagte mir mein Mann viel später.
    Hätte ich es am Bildschirm verfolgen wollen, wie der Draht in seinem Körper umher wandert? Nein, bestimmt nicht.
    Aber genau wie er hätte ich nach der Untersuchung gefragt: „Und? Was haben Sie gesehen?“
    „ Ihre linke Herzkammer arbeitet gar nicht mehr, die andere mit einer Leistung von nur noch 15 Prozent.“
    Eine schockierende Antwort.
    Was das heißt, war allen Beteiligten klar, nur meinem Mann in dem Moment vielleicht nicht.
    Es gab nur diese eine Chance: Ein neues Herz musste her! Aber andererseits war sein Organismus viel zu schwach, um so einen Eingriff überhaupt verkraften zu können. Also wurde der Patient erst einmal aufgepäppelt, zunächst in der Intensivstation, dann auf der normalen. Er habe das Gefühl gehabt, er sei Tag und Nacht liebevoll gepflegt worden, bis die Anstrengungen schließlich Früchte trugen.
     
    Am 3. Oktober 1990 klingelte bei mir daheim das Telefon.
    „ Ich habe heute ein Bier getrunken – zur Feier des Tages - in einer kleinen Gaststätte unweit vom Klinikum!“, schrie mein Mann.
    Ich konnte ihn trotz der Lautstärke nicht richtig verstehen, denn am Tag der Wiedervereinigung Deutschlands
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