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Wolke 8...

Wolke 8...

Titel: Wolke 8...
Autoren: Monika Kunze
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er womöglich ihr Jugendfreund sei. In den Chats tummelten sich einige Bekannte.
    Doch nach Papillon hielt sie vergeblich Ausschau. Er war gar nicht online.
    Sie fuhr den Hans (von wegen Hans im Glück!) wieder herunter und legte sich ins Bett, das leichte Gefühl von Enttäuschung mochte sie gar nicht erst zulassen. Sie wollte sich in Gelassenheit üben und schloss die Augen. Schließlich war es schon nach Mitternacht.
    Das Klingeln des Telefons ließ sie hochschrecken. Sie kannte die Nummer nicht, was sie zu so später Stunde sonst immer abgehalten hatte, Gespräche anzunehmen.
    Ihr Daumen hatte sich anscheinend selbständig gemacht, denn er hatte schon auf das kleine grüne Symbol gedrückt.
    Ungehalten meldete sie sich: „Anne Zellner …“
    Am anderen Ende der Leitung blieb es zunächst ganz still. Sie wollte schon auflegen, dann aber sagte eine Stimme: „Papillon – aus dem Chat…“
    Gleich darauf, diesmal etwas fester, noch einmal: „Papillon!“
    Ihr wurde schwindlig, und die Knie wollten ihren Dienst versagen.
    Diese Stimme! Nein, das konnte doch nicht sein … Und doch hatte sie ihn sofort wieder erkannt. Sie brauchte ihn nicht mehr zu fragen, wie er denn richtig hieße.
    „ Jean!“ schrie sie in den Hörer, als sei es möglich, allein mit der Lautstärke drei Jahrzehnte auszulöschen.
    „ Ann?“ Und nur eine Sekunde später: „Oui, oui, oui, mais naturellement!“
    Ja, ja, ja, aber natürlich! Sie konnte hören, wie er sich in Marseille (oder wo auch immer in Frankreich) mit der flachen Hand an die Stirn schlug.
    Alles andere war schnell ausgetauscht.
    „ Wann und wo treffen wir uns?“, fragten sie beide gleichzeitig. Sie konnte ja jetzt ebenso gut zu ihm fahren wie er zu ihr.
    „ Montag!“, schlug er lachend vor, „am Meer, an deinem, nein, an unserem, Meer!“
    Er hatte es also doch auch in Frankreich erfahren? Oder meinte er es ein bisschen spöttisch, weil er glaubte, dass hier noch immer die Kohle aus der Erde gekratzt wurde?
    *
     
    Die ersten Sterne zeigten sich am Himmel. Anne erhob sich und nahm noch einen tiefen Atemzug von der Seeluft. Ein Meer ist es nicht, aber ein wunderschöner See anstelle der einstigen
Mondlandschaft
. Die Wunden der Landschaft waren mit den Jahren immer mehr verheilt. Wie die ihren.
    Und morgen? Morgen würde Jean kommen ... Endlich!
    Es tat nichts zur Sache, dass Anne inzwischen auf die Fünfzig zusteuerte.
    Sie fühlte sich mit einem Mal wieder herrlich jung und lebendig …
     
     
     
     
     
     

Ein Kerl wie ein Baum - und doch ...
    Es geschah 1990. Zum ersten Mal in ihrer Ehe hat Irma etwas Schwerwiegendes hinter dem Rücken ihres Mannes getan. Sie hat einen Brief geschrieben - an einen Professor im Westen. Aber diese Heimlichtuerei hat ihrem Mann schließlich das Leben gerettet. Während sie zweiundzwanzig Jahre später, an einem ganz besonderen Tag auf ihn wartet, gehen ihre Gedanken zurück … in die wohl schwerste Zeit ihres gemeinsamen Lebens.
     
    Der Kirschbaum vor dem Fenster hat heuer schon fast alle Blätter verloren. Anfang Oktober.
    Es ist also schon wieder ein Jahr um? Unglaublich, wie die Zeit mit zunehmendem Alter immer schneller zu verrinnen scheint.
    Wie seit Jahren an diesem Tag riecht es im Haus nach frisch gebackenem Kuchen. Apfelkuchen – mit dicken Butterstreuseln und Zimtzucker. Den mag er am liebsten. Zugegeben: ich backe nur noch selten. Seit unsere Kinder erwachsen sind, lohnt sich so ein Kuchen ja kaum noch.
    Aber heute musste es wieder einmal sein. Schließlich wollen wir heute den Geburtstag meines Mannes feiern. Immerhin wird mein Mann, Roland, nun schon zweiundzwanzig.
    Ich könnte es verstehen, wenn einige Leser jetzt ziemlich ungläubig dreinschauen. Ein Mann, dessen Kinder schon erwachsen sind, soll seinen zweiundzwanzigsten Geburtstag feiern?
    Vielleicht denken sie, dass es sich vielleicht um den zweiundsiebzigsten handeln könnte? Ein Schreibfehler also? Nein, durchaus nicht. Das kann ich mit gutem Gewissen behaupten. Sobald sie unsere Geschichte kennen, werden sie verstehen, was es mit diesem sonderbaren Geburtstag auf sich hat.
    Ich nehme zwei langstielige Sektgläser aus dem Schrank und poliere sie noch einmal, obwohl meine Tochter immer sagt, das sei gar nicht nötig, sie würden im Schrank doch nicht einstauben. Ich mache es trotzdem, heute soll alles strahlen und glänzen.
    Ja, ganz recht, zwei Gläser nur, denn irgendwie ist dieser Tag auch unser Tag. Nein, sogar ausschließlich unser! Wir waren uns an
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